Die „Durchsetzungsrichtlinie“ der EU (Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) soll die Interessen der Inhaber von Immaterialgüterrechten stärken. Die Umsetzung in nationales Recht stösst aber auf mancherlei Probleme und konkurriert teilweise mit geltendem Recht.
Viel Anlass zu Diskussionen gibt etwa ein Auskunftsanspruch des Rechtsinhabers zum Beispiel gegenüber Online-Providern zur Herausgabe von Nutzerdaten bei einer (erwiesenen bzw. vermuteten) Rechtsverletzung zwecks Täterermittlung und Beweismittelsicherung. Der Knackpunkt hierbei ist, welche Voraussetzungen dazu erfüllt sein müssen und ob dies nur mit richterlichem Segen erfolgen darf. Den Interessen eines möglichen Rechtsgeschädigten gegenüber steht der Schutz der Daten sowie der Privatsphäre des Einzelnen als Verdächtigter – ein klassisches Güterabwägungsproblem unseres Rechtsstaates. Der Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und dessen Beurteilung sind dabei entscheidend. Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen seitens der Geschädigten ist ein weiteres heiss diskutiertes Thema. Wieviel darf es denn sein und wie wird es berechnet? Aber auch die Rechtseffizienz ist ein wichtiger wenn auch (zumindest meiner Ansicht nach) nur sekundärer Aspekt.
Gesellschaftliche Veränderungen und Anpassungen der Anwendungsvorschriften bzw. Verordnungen zum geltenden Recht sind die Konsequenzen unserer modernen Informationsgesellschaft. So toll Informatik zur Herstellung sowie Weitergabe und Verbreitung von digitalen bzw. digitalisierbaren Inhalten auch ist, so generiert sie auf der anderen Seite neue rechtliche Probleme. Die Gesetze müssen zum Glück nicht grundsätzlich neu definiert werden. Das Problem besteht vielmehr in ihrer adäquaten Andwendung in Kenntniss der Möglichkeiten und Gefahren der Technologie sowie auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Rechtsempfindens. So kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder seinen Computer wie ein Profi im Griff hat. Gerade die Gefahr eines unbeabsichtigten Dateitauschens in Peer-to-Peer Netzwerken (wie eDonkey, KaZaA, BearShare, LimeWire oder Morpheus) ist bei Laien sehr gross, wie das US-Patentamt in seinem kürzlich erschienenen Bericht festhält. Jemand, der sowohl die Technik im Griff haben sollte als auch die Rechtslage kennt und versteht, muss bei einer entsprechenden Rechtsverletzung zwangsläufig härter bestraft werden als Otto Normalverbraucher. Aber auch die Softwarehersteller müssen mehr in die Verantwortung genommen werden. Zudem muss die Kriminalisierung der breiten Bevölkerung vermieden werden – auch wenn dies die Lobby der Medienschaffenden und der Unterhaltungsindustrie wahrscheinlich anders sieht.
Gerade durch die neuen Immaterialgüterrechtsprobleme entstehen Berührungspunkte zwischen Informatik und Recht. Einen entsprechenden interdisziplinären Austausch vermisse ich allerdings. Bei der Beurteilung sollten die Rechtsgelehrten vermehrt Informatikfachleute beiziehen, die sich auch der Rechtsproblematik und der gesellschaftlichen Tragweite ihres Beitrages bewusst sind. Dies findet in der Praxis leider noch viel zu wenig statt. Entsprechend leidet die Rechts- und Lösungseffizienz darunter.