So genannte Mehrwertdienste (für Klingeltöne, Handylogos, Bilder und Animationen für MMS, SMS- und Televoting, TV-Glückspiele über teure kostenpflichtige Telefonnummern, Telefon-Sex, etc.) erfreuen sich zunehmender Verbreitung und offensichtlich grosser Beliebtheit. Manchmal frage ich mich, für wen die so genannten Mehrwertdienste einen Mehrwert darstellen – für den Konsumenten oder den Anbieter?
Die Fernsehzuschauer mit „Glückspielen“ nerven und dabei dick Kohle abkassieren – das funktioniert anscheinend hervorragend. Anders kann ich mir die allabendliche Belegung der Sendezeit bei den Privatsendern mit „Glücksspielen“ nicht erklären. Wenn nur jeder tausendste Anrufer durchkommt und der Rest mit einer Nietenmeldung „Es tut uns leid, …“ aus der Konserve abgespiesen wird, ergibt das bei Tausend Anrufern einen Umsatz von 1’000 bis 5’000 Euro (je nach Gebühren für einen Anruf) bei einer Auszahlung von 200 bis 1’000 Euro, sofern der Kandidat die Frage richtig beantwortet, was oft nur jedes zehnte Mal der Fall ist. Das heisst, die Auszahlungen fallen gegenüber den Einnahmen gar nicht ins Gewicht. Unter dem Strich bleiben so pro Spielrunde so bis zu 50’000 Euro beim Veranstalter hängen. Bei sechs Spielrunden pro Stunde sind dies bis 300’000 Euro pro Stunde. Nach dieser kleinen Rechnung versteht sicher jeder den „Mehrwert“ solcher Sendungen. Die Teilnehmer können statistisch gesehen nur verlieren. Die oberen Ausreisser in dieser Statistik nennt man dann die „Gewinner“.
Mindestens so irrational verhält es sich bei kostenpflichtigen Klingeltönen und Handylogos. Für 2 bis 5 Euro erhält der Absender einer SMS (korrekt sollte es eigentlich nur SM für „short message“ heissen, denn das System selber wird dabei ja nicht verschickt sondern nur zum Versand benutzt) ein paar Bytes, die er sich ebenso gut auch kostenlos auf seinem Computer erstellen und auf sein Handy laden könnte. Nicht nur Kids sondern auch oder gerade Erwachsene bis 50 Jahren fahren voll auf diese primitven Bildchen und Tönlein ab. Eigentlich unverständlich, denn heute haben gut 80% der Bevölkerung einen Computer zuhause und die Bedienung der dafür benötigten, kostenlos herunterzuladenden Software ist kinderleicht. Genaue Downloadzahlen werden von den Anbietern nur ungern veröffentlicht, weil dann jeder ihren Gewinn leicht berechnen könnte. Und dann könnten sie in Verdacht geraten, ihre Kundschaft abzuzocken.
Am meisten nerven die Gewinnspiele bei „Uups! Die Pannenshow“ auf Super RTL. Die Clips sind zwar grösstenteils ganz lustig, aber wenn dann dieser Dennie Klose mit seinem dämlichen Lächeln fragt: „Ist das a) ein Tennisschläger oder b) ein Kartoffelschäler?“, dann kriege ich immer so Krämpfe in der Magengegend. Den wenigsten Zuschauern fällt dabei auf, dass dieser Intelligenztest, einzig und allein dazu dient, die Reichweite der Sendung zu messen. Damit die Teilnahme nicht an der Intelligenzfreiheit vom schwächer begabten Teil der Zuschauer scheitert, sind die Fragen „sehr einfach“. Gibt es eine dreistere Methode, sich eine Konsumentenumfrage von den Konsumenten finanzieren zu lassen?
Ein Vergleich der Preise der Mehrwertdienste mit der Leistung müsste den Angeboten eigentlich die Grundlage entziehen. Dass dem aber nicht so ist, lässt sich schon aus der nicht abreissenden Flut von Inseraten in Tageszeitungen und TV-Spots für diese Angebote schliessen. Business Ethik scheint bei den aktuellen Mehrwertdiensten kein massgebender Faktor zu sein. Besonders Kinder und Jugendliche werden regelmässig dazu verleitet, Ihr Taschengeld für überteuerte Handylogos, Klingeltöne und TV-Gewinnspiele auszugeben. Der Gegenwert, den sie für Ihr Geld erhalten, ist sehr bescheiden und eher fiktiver Natur. Es ist sollte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis diese noch unreifen Konsumenten „mündig“ werden und das Ungleichgewicht erkennen. Zu hoffen wäre es jedenfalls.
Neben ihrer Funktion als (zusätzliche) Einnahmequelle dienen Mehrwertdienste vor allem auch der Marktanalyse (z.B. Erhebung von Einschaltquoten, etc.). Diese Kosten auf den Endkunden zu überwälzen, mag zwar finanziell interessant sein, widerspricht aber dem Verursacherprinzip und ist nicht mehr als eine Verarschung und Abzocke der Kunden. Eine Festigung der Kundenbindung wird damit wohl kaum erreicht.
Mehrwertdienste sollten für die Kunden einen echten (d.h. wahrnehmbaren und realisierbaren) Mehrwert generieren und sollten nicht bloss eine zusätzliche Einnahmequelle für den Anbieter darstellen, um ihrem Namen gerecht werden. Kurzfristig lässt sich der Markt zwar mit überhöhten Preisen für eine meist zweifelhafte Gegenleistung abschöpfen, die Preise müssen aber dennoch in einem gesunden und fairen Verhältnis zum real gebotenen Mehrwert stehen. Nur dann sind die Angebote auch längerfristig wirklich überlebensfähig.
Warum eigentlich können solche Mehrwertdienste nicht unentgeltlich angeboten werden? Zur Kundenbindung, als Belohnung für Vertrauen, als Anreiz, als echtes Treue-System? Ohne Verknüpfung an Benutzerprofile, kundenspezifische Erhebungen, etc.? Einfach nach dem Grundsatz: „Wir freuen uns, dass Sie unser Kunde sind und wir danken Ihnen dafür!“ Und wenn schon an Erhebungen gebunden, warum dann nicht an Erhebungen, die dem Kunden effektiv etwas bringen? In einer Art und Weise, die zusätzliches Vertrauen zum Anbieter und seinen Produkten schafft! Hier ist der Ansatzpunkt der Zukunft für nachhaltige Werbung.
Wirklich sinnvolle Anwendungen kenne ich praktisch keine. Die einzige, die mir so spontan einfällt, ist die Meinungsumfrage beim Kassensturz, der Konsumentensendung des Schweizer Fernsehens. Dort kostet eine Stimmabgabe per SMS CHF -.20.
OK, sich bei einem Hormonstau per Telefon-Hotline Erleichterung zu verschaffen, kann man auch als Mehrwert bezeichnen ;-). Arme Sau, wer sich nicht anders zu helfen weiss!
Ob Mehrwertdienste die Welt zu einem schöneren Ort machen weiss ich nicht. Das es neben „Hotbutton-TV“ und ähnlichen Auswüchsen aber auch sinnvolle Anwendungen gibt steht außer Frage. Ob es die Teilnahme an Gewinnspielen (vor allem in Printtiteln) mit günstigeren Gebühren als es eine Postkarte kosten würde, die telefonische Beratung oder Auskunft ist. Und wer schließlich findet, für 1,99 Euro die Minute bei einer Erotikline gelegentlich gut unterhalten zu werden, ruft gerne mal wieder an. Warum auch nicht?