Raubkopie als Unwort des Jahres – Urheberrecht im Wandel

Eine Raubkopie bezeichnet ja eigentlich eine Kopie eines Raubes und Raubkopierer sind demnach alles Nachahmungstäter. Oder bin ich nicht ganz korrekt Deutsch und ist eine Raubkopie etwas, das sowohl geraubt als auch kopiert wird? Das macht aber keinen Sinn. Der Begriff „Raubkopie“ ist ein Unding – um nicht gleich zu sagen ein kompletter Schwachsinn!

Bei einer Kopie nimmt das Original (in der Regel) keinen Schaden und bleibt so, wie es ist, und dort, wo es ist. Wird etwas geraubt, so spricht man von Raubgut oder Beute. Wenn dabei keine Gewalt im Spiel ist, nennt man es schlicht und einfach Diebstahl. Kann man etwas zugleich kopieren und rauben? Zu klären wäre dann aber, ob etwas zuerst geraubt und dann kopiert wird oder umgekehrt. Aber wieso spricht man eigentlich von Raub? Wo wird hier Gewalt angewandt? Wo ist dabei die kriminelle Energie? Wenn schon, dann müsste es eigentlich „Diebeskopie“ heissen – oder „Diebstahlskopie“. Mein Deutschlehrer würde mich dafür erhängen und sicherlich auch mein Rechtsdozent! Im Fall der sogenannten „Raubkopie“ treffen weder Raub noch Diebstahl als strafbarer Tatbestand zu, da niemandem eine Sache abhanden kommt. Auch die Urheberrechte verliert der Inhaber nicht am kopierten Werk.

Das geltende Immaterialgüterrecht befindet sich zur Zeit im grössten Wandel seit seiner Entstehung als Form des immateriellen Besitzes am Ende des 18. Jahrhunderts, die ihrerseits als verspätete Folge der Erfindung des Buchdrucks (über 300 Jahre zuvor) zu sehen ist. Damals ging eben alles noch viel langsamer. Schuld am aktuellen Wandel ist einerseits die Digitalisierung der Inhalte, die ein verlustfreies Kopieren innert kürzester Zeit ermöglicht, und andererseits die Verbreitung über das Internet, welche die globale Distribution in Windeseile erlaubt. Dies ist das Resultat des technologischen Fortschritts und der Globalisierung unserer Wirtschaftswelt. Der Informatik kommt in diesem Zusammenhang eine mindestens so wichtige Rolle zu wie damals dem Buchdruck.

Raubkopierer sind Verbrecher“ heisst es auf den Plakaten und in den Werbeclips der DRM-Mafia Musik- und Filmindustrie. Ist es nicht vielmehr als ein Verbrechen an der Gesellschaft zu werten, wenn jemand ein exklusives Recht auf eine gedankliche Schöpfung erhebt, nur weil er der Erste gewesen ist (was zu beweisen wäre)? Wo wären wir heute, wenn schon die Neandertaler ein Immaterialgüterrecht gekannt hätten? Müssten wir dann heute Nutzungslizenzen für das Feuer, das Rad und die Nutzung der Wind- und Wasserkraft bezahlen? Oder müssten wir die Erlaubnis einholen, ein Volkslied zu singen? Das Urheberrecht soll den Urheber eines Werkes vor Ausbeutung schützen, indem ihm die alleinigen Rechte an der (monetären) Verwertung seiner geistigen Schöpfung zugesichert werden – so die ursprüngliche Absicht. In der Praxis behindert das aktuelle Immaterialgüterrecht aber den Fortschritt und beschäftigt Heerscharen von Patent- und Rechtsanwälten. Da Anwälte zu den besser Verdienenden unserer Gesellschaft gehören, herrscht hier das Recht des Finanzkräftigen. Wer kein Geld hat, kann sich sein Recht nicht leisten. Ein Kleinbetrieb oder Privatmann hat meist gar nicht den finanziellen Odem, seine Rechte gegenüber einem Medienmulti geltend zu machen. Und die Grossen spielen immer wieder gerne „Kampf der Titanen“. Letztendlich mündet das Ganze in einer sinnlose Geldumverteilung für sinnlose Arbeit. Mit sinnloser Arbeit ist nicht etwa die Schöpfung geistiger Güter gemeint sondern der Leerlauf im Zusammenhang mit der Sicherung und Verwertung der Rechte an diesen Werken. Das kommt natürlich immer auch auf den Standpunkt an. :)=)

Besonders bedenklich ist in meinen Augen die Kommerzialisierung der Kultur durch Urheberrechte, denn ein wesentliches Element jeder Kultur ist das Kopieren von Bestehendem zwecks Erlernung und Weiterentwicklung. Wenn Kultur-Konsumenten kriminalisiert werden, führt das Urheberrecht zwangsläufig zum Tod der Kultur. Dem mag man entgegen halten, dass die Produkte der Musik- und Filmindustrie aufgrund ihrer kommerziellen Charakteristika gar keine eigentlichen Kulturgüter darstellen. Das wäre natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen, denn früher haben es „Kulturschaffende“ (welch ein grässliches Wort!) nicht fertig gebracht, so viel Schrott zu produzieren. Heute „ernährt“ es eine ganze Industrie. Wenn der Erschöpfungsgrundsatz auch für die nicht-kommerzielle Nutzung geistiger bzw. immaterieller Schöpfungen gelten würde – unabhängig davon wie und zu welchem Preis sie in Umlauf gebracht wurden, sähe das ganz anders aus …

Um dem ganzen rechtlichen Geplänkel aus dem Weg zu gehen, geht Apple mit dem iPhone eigene Wege – wie schon bisher mit dem iPod. Kundenbindung/-knechtung und Inkompatibilität heissen die Zauberwörter. Wer einen Song über iTunes erwirbt, ist für die Nutzung desselbigen sein Leben lang an Geräte von Apple gebunden, welche dieses DRM-System als Einzige beherrschen. Geräte der Konkurrenz können mit den Songs im Apple-Format nichts anfangen. Ja, man kann die Inhalte grundsätzlich immer auch in andere Datenformate konvertieren. Aber das ist mehr etwas für technikverliebte Freaks mit viel Freizeit und sicher nichts für Otto-Normalverbraucher. Nicht einmal ich selber habe die Nerven, mir sowas anzutun. Jetzt nimmt Apple die Leine noch etwas kürzer: um alle Funktionen des iPhones nutzen zu können, braucht man einen iTunes-Account. Datenschützer schlagen Alarm. Für Konkurrenz könnte aber schon bald gesorgt sein, denn auch Skype drängt aufs Handy, wenn auch vorerst nur mit Telefondiensten.

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