Wer baut am Überwachungsstaat oder sind Schäuble & Co. bloss paranoid?

Allen voran der deutsche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble scheint seine wahre Freude daran zu haben, seine Mitbürger regelmässig mit polizei- und überwachungsstaatlichen (Terror-) Meldungen zu schockieren. Er fungiert aber nur als politisches Aushängeschild einer neuen Ideologie, bei der „ein starker Staat seine Bürger vor negativen Einflüssen schützt“. Manch einer hat dabei sicher ein „Déjà Vu“-Erlebnis. Der Ausdruck „STASI 2.0“ ist daher nicht ganz aus der Luft gegriffen. Im Hintergrund arbeiten mehrere Hundert Damen und Herren an der Konzeption und Umsetzung: Biometrische Pässe mit Fotos und Fingerabdrücken, Vorratsdatenspeicherung, elektronische Gesundheitskarte, Bundes-Trojaner für Online-Durchsuchungen, Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf öffentlichen Plätzen (neben der schon lange praktizierten Video-Überwachung an Tankstellen und in Kaufhäusern und Supermärkten zwecks Diebstahlsprävention und -nachbearbeitung), … um nur ein paar der prominentesten Projekte zu nennen. Eines der neusten Projekte ist die Entnahme von Geruchsproben von Globalisierungskritikern im Rahmen der Sicherheitsvorkehrungen vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm. Eigentlich ist es ja bloss ein altes Stasi-Projekt mit aktueller Technologie neu aufgelegt. Was da in Zukunft noch alles auf uns zukommen soll, ist schon gewaltig! Sind Herr Schäuble und seine Kollegen eigentlich bloss paranoid oder steckt da am Ende gar ein Plan dahinter? Wer sind die Leute, die am Überwachungsstaat bauen? Was sind ihre wahren Ziele? Wer profitiert davon?

Einen „Verschwörungstheoretiker“ werden mich die einen jetzt gleich nennen. Ich finde diesen Begriff an und für sich schon recht abartig. Mindestens so abartig ist aber auch die Naivität vieler Zeitgenossen. Wenn es doch bloss bei der Theorie bleiben würde! Dann würde es mir nichts ausmachen, als Theoretiker bezeichnet zu werden und Unrecht zu haben. Aber werfen wir doch einmal einen Blick in unsere verstaubten Geschichtsbücher! Was lesen wir dort? Die Geschichtsschreibung der Menschheit besteht fast ausschliesslich aus Intrigen, Verschwörungen und Kriegen – in jeder Kultur und zu jeder Zeit. Verschwörungen waren also schon immer eine Normalität und haben die Entwicklung unserer Gesellschaft massgeblich geprägt. Somit ist Schäuble & Co.’s Ideologie vom Überwachungsstaat eigentlich gar nicht so neu sondern lediglich eine Neuerfindung des Rades unter Zuhilfenahme der neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie. Was ihnen dabei entgegenkommt ist, dass das Kollektiv nicht lernfähig ist im Gegensatz zum einzelnen Individuum. Als ein solches wage ich mich zu bezeichnen und hoffe auf zahlreiche Nachahmungstäter.

Informatik spielt bei der ganzen Geschichte eine Schlüsselrolle. Ohne die technologische Entwicklung der letzten Jahre wäre ein solches Überwachungsvorhaben gar nicht realisierbar. Technologie ist aber immer wertfrei im Gegensatz zu ihren Anwendern. Mit einem Messer kann man ein Butterbrot streichen, Rosen schneiden oder jemanden ins Herz stechen. Nicht das Messer selber sondern der Mensch, der es in seiner Hand hält, entscheidet über seine Verwendung.

Es mutet schon fast etwas pervers an, wenn Herr Schäuble an der IT-Sicherheitskonferenz „Innovation und Verantwortung“ sich für einen sicheren Kommunikationsraum im Internet stark macht. Irgendwie entsteht bei mir der Eindruck, dass der Bundesinnenminister selber gar nicht so recht versteht, was er da von sich gibt, und bloss nachplappert, was ihm in den Mund gelegt wird. Parallel dazu kämpft er weiterhin für Online-Durchsuchungen mit dem Bundestrojaner. Aber schliesslich macht die Bundeskanzlerin kein bisschen einen kompetenteren Eindruck und Angela Merkel erklärt uns, warum Videoüberwachung wichtig und sie für null Toleranz bei der inneren Sicherheit ist:

Zum Glück bin ich als „Verschwörungstheoretiker“ nicht allein auf diesem Planeten, denn der Widerstand gegen den Überwachungsstaat formiert sich nicht nur im Netz sondern auch in den Medien und in der Politik:

Internet sei Dank kann sich jeder ergiebig über das Thema informieren. Aber auch das Fernsehen steht nicht abseits. Arte strahlt am Dienstag, 19. Juni ab 20.40 Uhr einen Themenabend mit dem Titel „Wir werden alle überwacht!“ aus.

Wer wegschaut und den Kopf in den Sand steckt, ist selber schuld. Wer nur zu faul ist, eine Suchmaschine zu beschäftigen, findet hier ein paar weitere Beiträge zum Thema:

Und wer sich das Thema in Romanform reinziehen möchte, der liest „Die Macht des Mr. Miller“ von Charles den Tex, denn der Klassiker „Big Brother“ ist mittlerweile schon etwas überholt.

5 thoughts on “Wer baut am Überwachungsstaat oder sind Schäuble & Co. bloss paranoid?

  1. Der Themenabend “Wir werden überwacht” auf Arte war sehr interessant und aufschlussreich. Besonders auch die Problematik der RFID-Technologie im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Privatsphäre wurde recht ausgiebig geschildert. Nur schade, dass die Beiträge nicht online verfügbar sind.

  2. Wenn sich jeder mit „habe halt eine schwere Kindheit gehabt“ oder so ähnlich herausreden könnte, hätten wir schon in Kürze die nackte Anarchie und jede Schweinerei wäre von vornherein entschuldigt! Aber gerade Schäuble hat doch in jüngeren Jahren über die Machenschaften der Stasi gewettert. Ich habe da noch so Bilder von einem Interview beim „ZDF Report“ im Kopf. Oder täuscht mich mein Erinnerungsvermögen? Und heute stellt ausgerechnet dieser Herr die Stasi meilenweit in den Schatten. tempora mutantur …

  3. So langsam komme ich mir vor, wie in einem schlechten Science Fiction Roman. Heute gelesen:

  4. Dass Herr Schäuble so sensibilisiert ist, ist mit seiner persönlichen Biogarfie zu erklären. In der Schweiz diskutieren wir ein ähnliches Gesetz, dass aber nicht so weit geht. Zudem muss ein überwachter nachträglich informiert und eventuell entschädigt werden.

    http://blog.internet-briefing.ch/2007/04/25/onlinedurchsuchungen-in-der-schweiz/

    Hier das Papier, das in die Vernehmlassung ging:
    http://www.edoeb.admin.ch/dokumentation/00445/00509/00965/00978/index.html?lang=de

  5. Dazu passend heute der Artikel in der Basler Zeitung mit der Meldung, dass die Fingerabdrücke (und biometr. Daten allg.) des neuen biometr. Passes nicht etwa nur auf dem Pass selbst gespeichert werden, sondern auch in einer zentralen Datei. Die Fingerabdrücke aller Schweizer in einer Datei, na toll. Auf die soll allerdings die Polizei nicht Zugriff haben. Wohl eher: nocht nicht.

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