Day: Montag, 12. März 2007

Google’s zwei Gesichter

Ich bin etwas verwirrt. Bisher behauptete Google von sich, seine Mission bestehe darin, den Internetnutzern jeden Inhalt jederzeit einfach zugänglich zu machen. Nun positioniert sich der Suchriese jedoch immer mehr als Werbebroker. G-Chef Eric Schmidt liess verlauten, dass Experimente mit Fernsehwerbung am laufen seien. Dies ist anscheinend ein Teilschritt in der Strategie, sich als omnimedialer Mittelsmann für Werbung zu positionieren. Naja, schliesslich ist Webung auch nur ein Inhalt, den es zugänglich zu machen gilt. Kein Grund also, verwirrt zu sein.

Google operiert in einem interessanten Spannungsfeld gegensetzlicher Interessen von Konsumenten und Werbetreibenden. Beiden Parteien gerecht zu werden, wird nicht leicht sein. Zumal die Erwartungshaltung auf beiden Seiten wesentlich höher ist als zum Beispiel beim Fernsehen.

Technologie war bisher Google’s Trumpf und das soll auch weiterhin so bleiben. Google arbeitet daher an Technologien, die TV-Werbung besser auf die Konsumenten ausrichten sollen, und will anhand von demografischen Daten und basierend auf den konsumierten Fernsehinhalten personalisierte Werbung anbieten. Das ist Stalking in Reinkultur! Zum Glück gibt es Datenschutzgesetze, die den Zugriff auf die Fernseh-Nutzungsdaten nicht einfach so zulassen. Google wagt eine gefährliche Gratwanderung zwischen Wahrung der Vertrauens- und Glaubwürdigkeit einerseits und unvermeidbaren Datenschutzverletzungen andererseits. Google Analytics ist erst das Vorspiel. Wenn das bloss gut geht! Schon manch ein Konzern hat sich mit seinen Wachstumsstrategien in neue Gebiete (in diesem Fall sind es die klassischen Medien) vorgewagt und ist daran gescheitert. Dass sich die Werbung durch das Internet in den nächsten Jahren stark verändern wird, ist bei Branchenkennern unbestritten. Es ist aber sicher falsch zu glauben, dass die Zukunft allein durch Google bestimmt wird.

Neo-Taylorismus und Technologie als Kit der globalisierten Gemeinschaft

Das Internet hat uns neue Möglichkeiten der Kommunikation beschert. Trotz seiner Unausgereiftheit ist das Ding eines der grössten und nützlichsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts. Viele sehen darin sogar den Schlüssel zur globalisierten Gesellschaft, in der Zeit und Raum eine sekundäre Rolle spielen. Wenn es nach den Visionen gewisser CIO’s geht, so soll die Informations- und Kommunikationstechnologie der Kit der globalisierten Gemeinschaft sein. Bei solchen Visionen kommen mir spontan die Illusionen der 50-er und 60-er Jahre in den Sinn. So kämpfte zum Beispiel Heinz Erhardt auf der Leinwand als Onkel Willi gegen die Tücken von Hightech-Küchen, die zum Glück nie wirklich Realität geworden sind. Auch in bizarren Science Fiction Movies (von Buck Rogers bis Star Trek) wurde die Welt der Zukunft skizziert, in der die Errungenschaften der Technologie das Leben der Menschen einfacher und die Menschen zugleich zu von ihr abhängigen Sklaven machten. Auch die Atombombe sollte einst eine bessere Welt aus dem Planeten Erde machen. Aus heutiger Sicht wirken diese Filme eher bizzar, lächerlich und peinlich. Bemerkenswert dabei ist, wie sich die Geschichte in immer kürzer werdenden Zeitabständen auf’s Neue wiederholt. Die Informatik und das Internet bleiben von solchen Entwicklungen nicht verschont. Nur weil wir heute einfache, schnelle und günstige Kommunikationsmittel haben, werden Mitarbeiter in Europa, USA und Indien noch lange nicht besser zusammenarbeiten, denn ein virtuelles Netzwerk ist noch lange keine echte Arbeitsgemeinschaft. Zu gross sind hier die sprachlichen und kulturellen Barrieren.

Das Menschenbild in der Öffentlichkeit ist einem zyklischen Wandel zwischen Sach- und Menschenorientiertheit unterworfen. Heute sind die Technokraten an der Macht. Gemäss ihren Vorstellungen ist der Mensch nicht mehr wirklich Mensch sondern muss funktionieren wie eine Maschine. Sein Wert bemisst sich aufgrund von monetären Kriterien. Um das Risiko und die Verantwortung für Fehlfunktionen des neo-tayloristischen Menschen zu minimieren, setzt man auf Zertifikate. Der Zertifizierungswahn der Wirtschaft, die kein Unternehmertum mehr kennt sondern nur in Risiken denkt, um diese wiederum zu eliminieren, hat eine ganz neue Industrie geboren. An den Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen für Vakanzen lässt sich dieser Trend klar und deutlich ablesen. Es werden vor allem Spezialisten gesucht, die genau das am besten können, was von ihnen verlangt wird. Eine Einarbeitungszeit wird bestenfalls noch Junioren und Studienabgängern gewährt.

Der hoch-technologisierte Allmachbarkeitswahn und der daraus abgeleitete deterministische Anspruch lassen uns gerne vergessen, dass wir emotionale Wesen aus Fleisch und Blut sind. Soziale Systeme, die zu Kulturen werden, bilden sich durch gemeinsame Wertvorstellungen und nicht durch die Möglichkeiten der Technologie oder durch von Profilierungsneurotikern definierte Ziele. „All business is local“ heisst eine englische Wirtschaftwahrheit. Menschen können längerfristig nur effektiv und effizient zusammenarbeiten, wenn sie sich gegenseitig „spüren“. Die beste Kommunikationstechnologie wird zwischenmenschliche Beziehungen und Wärme nicht ersetzen, die erst durch gegenseitiges Vertrauen entstehen. Dieses Vertrauen wiederum entsteht durch positive Erfahrungen und ist eine Form der Vorfreude auf die Wiederholung eben dieser Erfahrungen.

Keine Technologie wird eine Gemeinschaft jemals als Kit zusammenhalten, weil Technologie selber immer sachlich, emotionslos und wertfrei ist. Ihre Bedeutung und ihren Wert erlangt sie erst durch ihre Anwendung und die damit erzielten Resultate.