Immer mehr Anbieter, die ihre Kunden auf Rechnung beliefern, vergewissern sich in Bonitätsdatenbanken über deren Zahlungsmoral. Ihr Bedürfnis, nur zahlungsfähige und -willige Kunden zu bedienen, ist sicherlich berechtigt. Wer schon mal Einblick in die Inkasso-Branche gehabt hat, weiss nur zu gut, wie oft und trickreich Kunden besonders im Versandhandel und bei Abzahlungsverträgen ihre Lieferanten betrügen und alles unternehmen, um der Bezahlung einer Rechnung aus dem Weg zu gehen, indem sie sich immer wieder neue Identitäten zulegen oder sich durch regelmässigen Adresswechsel einer Betreibung entziehen und so einen sauberen Betreibungsauszug sichern. Kein Anbieter möchte am Schluss eines kostspieligen Inkasso-Verfahrens mit einem Verlustschein abgespiesen werden, den er regelmässig erneuern muss, um seine Forderung aufrecht zu erhalten, und trotzdem kaum Aussicht darauf hat, ihn jemals beim Schuldner einlösen zu können.
Das Inkassogeschäft ist ein hartes Geschäft und verlangt eine hohe Frustresistenz. Daher verwundert es nicht, dass die Branche auch prominente schwarze Schafe hat. So betreibt das grösste Inkasso-Büro der Schweiz, die Intrum Justizia unter http://www.my-money.ch/ eine Website zu Geld und Schuldenfragen unter dem Motto „fair play – fair pay“. Dort gibt sie Schuldnern unter „Fragen und Antworten“ auch schon mal falsche Rechtsauskünfte zu Lasten der Schuldner (z.B. betreffend Erstattung von Zusatzkosten und Pflicht zur Schuldanerkennung). Die Firma verstösst „im Interesse ihrer Kunden“ in ihren Standardbriefen an die säumigen Schuldner mit ihren Formulierung zur Einschüchterung auch gerne mal gegen die Standesregeln des Verbandes Schweizerischer Inkassotreuhandinstitute (VSI).
Bonitätsdatenbanken sammeln alle für ein Bonitäts-Rating von Privatpersonen und Unternehmen relevanten Informationen und machen diese gegen Bezahlung transparent, damit säumige Zahler nicht mehr so leicht unter Ausnutzung von Gesetzes- und Inkassoverfahrenslücken weitere Betrügereien begehen können. Ihre Daten beziehen sie einerseits mehr oder weniger kostenlos aus öffentlich verfügbaren Quellen wie Telefonverzeichnissen und den Handelsregistern beziehungsweise über das Schweizerische Handelsamtsblatt (SHAB) und andererseits von kostenpflichtigen Datenlieferanten wie Dun & Bradstreet und DCL Data Care (siehe auch DCL-Filmportrait), welche die Daten mit ihren eigenen Informationen „anreichern“. Auch die im Adresshandel für Direkt Marketing tätige Dataserv AG reichert die Bonitätsdaten mit ihren Stammdaten an und verifiziert im Gegenzug diese mit den Adressen aus den Bonitätsdatenbanken. Inkassobüros wie Intrum Justitia, Credita, EOS Debita AG und Inkasso Arena AG füttern ebenfalls die Datenbank regelmässig mit Informationen aus ihren eigenen Inkassofällen, welche in der Regel ungeprüft übernommen werden. Zwar hat zum Beispiel Inkasso Arena ihre eigene Datensammlung beim Eidg. Datenschutzbeauftragten in Bern unter der Register-Nr. 199600118 gemeldet und angeblich sind alle Mitarbeiter mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Datenschutz vertraut und vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet. Trotzdem liefert die Firma diese Daten in den Pool von Bonitätsdatenbanken ein – automatisiert versteht sich. Darüber spricht man nicht gerne, denn eigentlich stellt dies in der praktizierten Art und Weise bereits einen Verstoss gegen das Datenschutzgesetz dar.
Aber nicht alle Inkasso-Büros liefern ihre Daten ein. „Diskretion ist dabei für uns nicht einfach Ehrensache, sondern selbstverständliche Arbeitsgrundlage“ rühmt sich WECO INKASSO. „Wir arbeiten leise, aber mit Erfolg und nach strengen ethischen Grundsätzen. […] Deshalb führen wir keine öffentlichen Statistiken, verkaufen keine Wirtschaftsdaten und entwickeln keine Software. […] Ihre Daten sind bei uns sicher“. So richtig glauben mag man das aber nicht.
Einer dieser Bonitätsdaten-Sammler und -Auswerter ist die Firma Deltavista mit Hauptsitz in Küsnacht an der Zürcher Goldküste und preist sich gerne als Dienstleister für Risiko- und Adressmanagement und als „Wirtschaftsauskunftei“ für Lieferanten, Dienstleister, Banken und Marketing an. „Bei Deltavista wird der Datenschutz besonders ernst genommen“ heisst es auf der Website. Die Firma bewegt sich aber mit ihren Daten und dem Umgang mit diesen bewusst in einem rechtlichen Graubereich, denn wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Das ist kalkuliertes Geschäftsrisiko. Jedenfalls ist „Deltavista Online“ wirklich beindruckend und gehört sicher auch weltweit zu den führenden Lösungen in diesem Bereich, auch wenn die Datenqualität nicht immer über alle Mängel erhaben ist. Wer sich einen Einblick verschaffen möchte, kann dazu einen kostenlosen Testzugang für einen Tag beantragen.
Was ist aber, wenn ein Eintrag in der Bonitätsdatenbank nicht der Wahrheit entspricht oder rechtswidrig in die Datenbank gelangt ist? Dann wissen die Betroffenen meist gar nicht, wie sie sich dagen zur Wehr setzen können, sofern sie überhaupt jemals Kenntnis von den über sie gespeicherten Daten erlangen. Einem Mann ist dies allerdings gelungen. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat ihm Schadenersatz in Höhe von 750 Euro zugesprochen, weil ein rechtswidrig angelegter Eintrag eines Inkassobüros in der Bonitätsdatenbank von Deltavista seinem Ansehen geschadet hat. Bis zu 20’000 Euro Schadenersatz wären (in Österreich) möglich, wenn durch eine Veröffentlichung der Daten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen eines Betroffenen in einer Weise verletzt werden, die einer Blossstellung gleichkommt. Solche Fälle sind aber die Ausnahme. Allerdings ist der vorliegende Fall kein Einzelfall. Mit den 750 Euro Schadenersatz und den rund 1’000 Euro für Verfahrenskosten ist Deltavista jedoch mit einem blauen Auge davon gekommen. Nochmals Glück gehabt, Thomas!