„Die Wikipedia ist ein Projekt freiwilliger Autoren zum Aufbau einer Enzyklopädie„. So heisst es jedenfalls auf der Wikipedia-Seite über Wikipedia. Das „Projekt“ (das streng genommen gar kein Projekt sondern eine unendliche Geschichte ist) gerät immer mehr in Verruf und unter Beschuss – nicht ganz zu Unrecht. Einerseits lässt die Qualität manch eines Beitrages sowohl in inhaltlicher als auch orthographischer Hinsicht stark zu wünschen übrig oder dient lediglich der Werbung und Selbstdarstellung.
Andererseits scheint eine Hand voll selbsternannter Grals-Hüter das Zepter fest in der Hand zu halten und nur Beiträge zuzulassen, die nicht im Widerspruch zu ihren eigenen Weltanschauungen und Zielsetzungen stehen. Was ihnen nicht gefällt, wird umgehend gelöscht. In wissenschaftlichen Wikis, würde man in jedem Fall zuerst Kontakt mit dem jeweiligen Autor aufnehmen, um allfällige Hintergründe eines anscheinend unpassenden Beitrags zu klären. Allem Anschein nach gibt es Wikipedia-Editoren, die eine etwas andere Erziehung genossen haben und daher offensichtliche Kommunikationsdefizite aufweisen sowie eine weniger sozialverträgliche Umgangsart pflegen. Vielleicht liegt es einfach daran, dass bei Wikipedia jeder halbgebildete Baumschüler Texte verfassen kann.
So finden sich unter den Autoren neben ausgezeichneten Akademikern auch 15-jährige Schreiberlinge der Schwammkopf-Generation, die nun wirklich kaum das Zeug dazu haben, Beiträge auf dem Niveau einer Enzyklopädie zu verfassen, ohne ihren Beitrag zum UGC im Web 2.0 in irgendeiner Weise schmälern zu wollen. Ein Online-Lexikon ist aber wohl kaum der richtige Platz, um sich auf der Tastatur auzustoben. Die Wikipedia:Spielwiese oder eine Schülerzeitung wären für diesen Zweck bestimmt passender. Innerhalb dieser Bandbreite der Autoren ist wirklich alles vertreten. Das führt statistisch gesehen nicht zu einem sehr hohen intellektuellen Durchschnitt. Wikipedia ist quasi das Boulevard-Lexikon der Kostenlos- und Mitmach-Generation. Mitunter findet sich zwar auch einmal ein Leckerbissen, aber mehrheitlich sind die Inhalte mit zunehmender Tendenz einfach nur Müll. Damit ist Wikipedia für das Web durchaus repräsentativ.
Über die Wikipedia-Usurpatoren und –Zensoren ist beim „SEO News Blog“ eine heftige Diskussion zum Beitrag „Nazipedia, ohne mich“ entbrannt. Die Erfahrungen in den Kommentaren zeichnen ein recht homogenes Bild einer sehr aktiven Gruppe schreibender Wikipedia-Autoren/Editoren, deren Gebaren durchaus an den Herrschaftsanspruch der selbsternannten Elite totalitärer Systeme erinnert. Solche Erfahrungsberichte durfte ich mir auch schon selber von Kollegen anhören.
Nun musste ich feststellen, dass es offensichtlich auch einige Wikipedia-Mitglieder gibt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, bestimmte Unternehmen und Personen von unerwünschten Beiträgen „schadlos“ zu halten, d.h. entsprechende Texte umgehend zu löschen und allenfalls durch ihre eigenen zu ersetzen. So wird gerade mit aller Kraft versucht, bei der kostenlosen Suchmaschine Google ein Kapitel zum werbefinanzierten Geschäftsmodell zu verhindern. Das kann anhand der Versionsgeschichte nachvollzogen werden.
Dass in einem solchen Umfeld längerfristig relevante Beiträge entstehen können, wage ich zu verneinen. Welcher gebildete Mensch würde sich so etwas über eine längere Zeit zumuten? Sobald auch der letzte Autor mit Hochschulabschluss vertrieben sein wird, kann es bis zum Untergang der „Enzyklopädie“ nicht mehr weit sein.
Warum es bei Wikipedia klemmt, hat Thomas Graf bereits letzten Oktober im Beitrag „Wikipedia in der Krise“ beschrieben. Im Impressum fand ich übrigens das erste Mal in meiner ganzen Webzeit einen Datenschutzhinweis, der deklariert, dass die Website Google Analytics und Adsense benutzt und dadurch Daten an einen Server von Google in den USA übertragen und dort gespeichert werden.
Die WP-Diskussion in den Admin-Notizen unter „Nazipedia“ (nur hier erledigt) gibt etwas mehr her.
Wer sich ein Bild über die Stimmung bei WP machen möchte, tut dies am besten bei den Diskussionen um Vandalismusmeldungen. Es befremdet mich ein bisschen, wie einige WP-Admins mit Löschungen und Sperrungen umgehen.
Wenn man bei Wikipedia nur noch unter seinem richtigen Namen teilnehmen und sich nicht mehr anonym hinter virtuellen Identitäten verstecken könnte, würde dies die Qualität der Beiträge mit Sicherheit anheben. Jeder rechtschaffene Mensch, der etwas zu sagen hat, tut dies üblicherweise unter seinem richtigen Namen (mit Ausnahme einiger Kitschroman-Autoren).
Einfach mal auf den Link „Anders“ neben dem Deutschland-Fahnerl klicken. Ich denke das sagt alles über die deutsche SEO-Szene.
Dass Vandalen und Spamern keine Chance gegeben werden soll, bin ich völlig einverstanden. Wie gesagt, den Beitrag von Promny anzuführen, war ein Fehlgriff meinerseits. Naja, Peinlichkeiten bereichern angeblich das Leben ;-). Die mir sonst zugetragenen Erfahrungsberichte über selbstherrliche Wikipedia-Wächter stammen von durchaus seriösen Leuten, denn in der Spamerszene bin ich nicht heimisch (höchstens als Opfer).
Meiner Wahrnehmung nach ist Wikipedia allerdings jetzt schon eine Tummelwiese für Selbstdarsteller und ein Link von Wikipedia auf eine Website pusht deren PageRang durchaus, wie ich aus eigenen Experimenten schliessen kann. Ich treffe immer häufiger auf Beiträge über (meist irrelevante) Personen als über sachliche Themen. Die Cervelat-Prominenz hat in einer Enzyklopädie aber nun wirklich nichts verloren. Es hat schon seinen Grund, weshalb man üblicherweise mindestens über einen Hochschulabschluss verfügen muss, um bei einer Enzyklopädie mitschreiben zu dürfen.
@Matthias Ein Artikel wird nicht so einfach gelöscht, das ist eine festgeschriebene Prozedur; Ausnahme: Dein Beitrag hat so offensichtlich gegen Relevanzkriterien verstoßen, dass ein SLA (Schnelllöschantrag) akzeptiert wurde.
Such einfach mal nach Wikipedia + Löschkandidaten, da kannst Du beispielhaft das Prozedere verfolgen und mitdiskutieren.
@LD, wenn es sich bei den unerwünschten Beiträgen und Autoren um Spammer wie Promny et al handelt, finde ich Löschungen absolut notwendig. Sonst ist Wikipedia bald nur noch eine Tummelwiese für Selbstdarsteller und „SEO-Experten“.
Es ist alles eine Frage der Kultur. Meine Beiträge wurden auch schon ohne Begründung gelöscht oder revertiert. In solchen Fällen habe ich meine Beiträge sachlich besser begründet und verlangt, dass auch Änderungen sachlich begründet werden. Damit beugt man solchen Rabauken-Änderungen wirksam vor, die alteingesessenen Wikipedia-Autoren wollen ja nicht als Vandalen dastehen :-).
Wenn man aber wie Promny grobschlächtig Eigenwerbung reinquetscht und anschliessend quasi einen Edit War startet und herumpöbelt, muss man sich nicht über die Gegenwehr der Wikipedianer wundern. Vermutlich stecken hinter vielen „Erfahrungsberichten“ über angebliche „Zensoren“ oder „Usurpatoren“ genau solche Typen wie Promny.
Aber natürlich gibt’s auch Wikipedia-Extremisten, die alles besser wissen und „ihre“ Artikel besser behüten als ihre Jungfräulichkeit. Dann lässt man denen halt ihre Artikelchen und schreibt seine Beiträge woanders, statt sinnlose Kriege zu starten.
Matthias, Danke für Deinen Hinweis! Thomas Promny ist anscheinend ein spamender SEO-Scharlatan, auch wenn er sich gerne als „geläuterter Internet-Unternehmer“ darstellt. Ich kannte den Typ bisher noch nicht und bin mal seinen Spuren gefolgt. Wer sich solch ein Nummernschild besorgt, kann wirklich nicht ganz richtig im Kopf sein und seine SEO-Fibel hat ja auch nicht gerade das Niveau für eine Enzyklopädie. Ich will daher weder ihn noch sein Werk verteidigen. Dass ich ausgerechnet sein Posting als Beispiel ausgewählt habe, war scheinbar nicht ganz glücklich. Werde nächstes Mal vorher besser recherchieren.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, wie bei Wikipedia grundsätzlich mit „unerwünschten“ Beiträgen und Autoren umgegangen wird.
Thomas Promny vom „SEO News Blog“ ist ein bekannter Spammer. Da wundert es mich nicht, dass die Eigenwerbung dieses penetranten Selbstdarstellers in Wikipedia wieder gelöscht wird.
Wikipedia ist bestenfalls noch als Ausweichlösung oder als Link-Verzeichnis zu anderen Beiträgen zu gebrauchen, wenn man keinen besseren Ausgangspunkt für seine Recherchen hat, wobei die Wikipedia-Beiträge grundsätzlich mit grösster Vorsicht zu geniessen sind. Ich für meinen Teil werde mich bestimmt nicht als Autor an diesem Möchtegern-Lexikon beteiligen.
Guter Artikel und vollkommen richtig. Mir selbst war es schon mehrfach passiert, dass eingetragene Artikel entweder überhaupt gleich gelöscht wurden oder so in ihrem Sinn verändert wurden, dass sie nicht mehr stimmten. Damit war mein Interesse erloschen.
lg, Wolfgang