Aus einer Kooperation des Software Engineering Institute (SEI) der Carnegie-Mellon-Universität und der Object Management Group (OMG) soll im nächsten Jahr ein neuer Standard für die Qualität von Software entstehen. Die beiden Unternehmen haben das Consortium for IT Software Quality (CISQ) ins Leben gerufen, das basierend auf den OMG-Normen für Softwareentwicklung einen neuen Industriestandard für die automatische Messung von Qualitätsmerkmalen definiert und sich am ISO-Standard 25000 zur Normierung des Anforderungsmanagements orientiert. Die erste Version soll bereits Ende des nächsten Jahres publiziert werden. Bereits im Jahr darauf will CISQ mit der Lizenzierung und der Zertifizierung von Unternehmen Geld verdienen.
Grundsätzlich begrüsse ich alle Bestrebungen zur Qualitätsverbesserung in der Informatik. Die Branche hätte es auch dringend nötig. Doch wage ich zu bezweifeln, dass dies mit der Definition von neuen Standards und der Zertifizierung von Unternehmen bewirkt werden kann. Ein zusätzliches Label im ohnehin schon überfrachteten Zertifikats-Dschungel wird die Qualität in der Software-Industrie wohl kaum verbessern. Vielmehr bräuchte es mehr Qualitäts-Evangelisten und -Missionare, welche das Wissen in die IT-Ausbildung einbringen und die Mitarbeiter in den Unternehmen befähigen, Qualitäts-Software herzustellen.
Ihre Beobachtungen gelten vornehmlich für Standard-Software. Der Markt für Individual-Software ist allerdings (zumindest budgetmässig) wesentlich grösser und die Qualität von Open Source Software liegt merklich über der der quick and dirty entwickelten Standard-Lösungen.
Ihre Forderung nach einer konsequenteren Produktehaftung und Sachgewährleistung kann ich nur unterstützen. Dies würde allerdings die Anschaffungskosten für Software um ein Mehrfaches steigern. Im Gegenzug würden aber die Fehlerkosten um ein Mehrfaches dieses anfänglichen Mehrpreises sinken. Unter dem Strich wäre das eine vernünftige Sache.
Da nicht mehr gepfuscht werden dürfte, hätte man genügend Zeit, Software bis zum geforderten Reifegrad fertig zu entwickeln. In diesem Umfeld würde die Arbeit einem Ingenieur bedeutend mehr Spass machen.
Über Ihre Einschätzung, wie die Softwarequalität gesteigert werden kann, bin ich sehr skeptisch. Gründe:
1. Seit Jahren wird (wohl nicht nur) in Deutschland zunehmend der Produktpreis heraus- und die Qualität hinten angestellt. Bei Software konkurrieren oft auch Features mit dem Preis – zu Lasten der Qualität.
2. Die Software-Industrie hat schon von Beginn an aus Softwarefehlern Kapital geschlagen, nämlich durch Wartungsvertäge.
3. Der beispiellose Aufstieg von Microsoft war von je her mit Mängel gespickter, teils desolater Software (vielleicht nicht kausal) verbunden. Obwohl dies bekannt war, hat dies dem Erfolg des Unternehmens und der Verbreitung dessen Software nicht nachhaltig geschadet.
4. Gerade mit der Betreuung von MS-Software verdienen ganze Scharen von Spezialisten ihren Lebensunterhalt, und das überwiegend ganz ordentlich.
Nach meiner Einschätzung würde sich die Lage ändern, wenn der Kunde/Anwender Schadensersatz für Fehlleistungen, die auf Softwarefehler zurückzuführen sind, einfordern könnte. Beipiele: Verlorene Zeit/Arbeit/Aufträge, weil ein Programm die Daten nicht abspeichert; Zusatzarbeit, weil wegen Absturzes ein Vorgang noch einmal ausgeführt werden muss.
Nur: wer will unter diesen Bedingungen noch programmieren oder die Softwarequalität garantieren?