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Inhaltsüberwachung verstösst gegen Grundrechte

Europäischer Gerichtshof - LogoDer Europäische Gerichtshof (EuGH [1]) hat entschieden (PDF [2]), dass Internetzugangs-Anbieter (Internet Service Provider, ISP) nicht nur nicht gezwungen werden dürfen, die übertragenen Daten ihrer Kunden ohne einen ausreichenden Verdacht und richterlichen Beschluss auf rechtswidrige Inhalte (vor allem im Hinblick auf Urheberrechtsverletzungen beim Austausch von Film- und Musik-Dateien) zu überprüfen, sondern bezeichnet eine solche verdachtslose Überwachung als Verstoss gegen die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und als unvereinbar mit den Grundrechtecharta der EU. Die Inhaltsanalyse des Datenverkehrs mittels Deep Packet Inspection (DPI) verursacht Kosten beim ISP, schränkt dessen unternehmerische Freiheit ein und verstösst gegen die Netzneutralität. ISPs sollen nicht Polizei für die Unterhaltungsindustrie spielen müssen. Jedes anders lautende Urteil hätte zudem weitreichende Konsequenzen für die Menschenrechte und würde einen völlig unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre bedeuten. Besteht allerdings ein hinreichender Verdacht mit konkreten Anhaltspunkten zu einer Rechtsverletzung beziehungsweise einer Straftat, die einen solchen Eingriff rechtfertigen würde, ist eine Überwachung des Datenverkehrs der betroffenen Person mit einer gerichtlichen Anordnungen auf einer entsprechenden Rechtsgrundlage weiterhin möglich, wobei ein Zugangsanbieter im Rahmen seiner Möglichkeiten und des ihm Zumutbaren zur Mithilfe verpflichtet werden kann.

Die Unterhaltungsindustrie täte gut daran, ihre Ansprüche und vor allem ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und an die Realität des Informationszeitalters anzupassen. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass Daten in digitaler Form unabhängig von ihrem Inhalt beliebig verlustfrei und praktisch kostenlos kopiert werden können. Einen technischen Schutz, der die Nutzung dieser Daten gezielt steuern liesse gibt es nicht und kann es prinzipbedingt gar nicht geben, ohne die Privatsphäre der Nutzer vollständig abzuschaffen. Dies hat einen grossen Einfluss sowohl auf Immaterialgüter als auch auf den Datenschutz. Es wäre an der Zeit, dass diese Tatsachen endlich auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Gesetzgebung finden würden. Diese hinkt der technologischen Entwicklung leider um Jahrzehnte hinterher.