Day: Dienstag, 11. September 2007

Apple und das iPhone (Reloaded)

Apple ist ein Phänomen im Markt der elektronischen Geräte des digitalen Zeitalters. Steve Jobs wagt mit seiner Firma immer wieder Experimente, an die sich nicht einmal Grössen wie Microsoft wagen. Einzig Google ist vergleichbar experimentierfreudig, aber der Suchgigant hat schliesslich auch die vollsten Kriegskassen. Der Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ist immer wieder eine Gratwanderung und oft entscheidet nicht die Logik oder Vernunft sondern das pure Glück. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird solcher Wagemut noch geschätzt, der nach Europäischen Massstäben jedem Buchhalter eine Gänsehaut verursacht. Ich muss gestehen, dass auch ich manchmal die Vernunft und Logik bei Apple vermisse. Gerade bei Apple’s neustem Baby, dem iPhone, überrascht es mich, wie etliche Grundgesetzte des Marketing ignoriert werden. Auf dem Amerikanischen Markt funktioniert es anscheinend trotzdem. Ob dieser Erfolg auf anderen Märkten fortgesetzt werden kann, ist meiner Ansicht nach aber fraglich. Die meisten US-Amis ticken eben einfach ein bisschen anders als ihre Europäischen Zeitgenossen. So mag die USA für ein dort beheimatetes Unternehmen ein idealer Testmarkt sein – repräsentativ für den Rest der Welt ist er aber nur selten. Gerade Schweizer Konsumenten gelten als eine der weltweit anspruchsvollsten Klientel und deshalb ist die Schweiz besonders auch im Detailhandel ein beliebtes Terrain für Pilotprojekte. Nicht umsonst versuchen Aldi und Lidl in Helvetien Fuss zu fassen. Ob das iPhone den Einstieg in diesen Markt schafft, werden wir schon bald erfahren.

Apple hat seine Fans mit einem rein funktional betrachtet innovativen Gerät überrascht. Bereits die Ankündigung des iPhones löste eine beachtenswerte Welle der Begeisterung aus. Die Restriktionen, die der Kunde dann aber hinnehmen musste, machten den Bonus zunichte. Der Aktivierungszwang bei iTunes sowie die Bindung (mittels SIM-Lock) an AT&T und iTunes verärgerten das Publikum. Entsprechend zögerlich wurden die futuristischen Smartphones aktiviert. Als dann Motorola mit seinem Konkurrenzmodell „Razr2“ auf den Markt kam, reagierte Apple mit einer massiven Preisreduktion von USD 600.- auf 400.- beim 8-GByte-Modell und nahm die Version mit 4 GByte Speicher vom Markt, um gegenüber der Konkurrenz attraktiv zu sein und so sowohl Motorola als auch Palm ausstechen zu können. Das erboste aber die iPhone-Käufer der ersten Stunde, die teilweise 10 Stunden und mehr für ein Gerät Schlange gestanden sind. Blogs und Foren waren voll von Beiträgen erzürnter iPhone-Besitzer, weil ihr soeben erst erworbenes Spielzeug bereits nach kurzer Zeit einen Drittel an Wert eingebüsst hatte. Steve Jobs reagierte mit etwas holprigen Erklärungsversuchen in einem offenen Brief auf der Apple-Website und versprach seinen Anhängern einen Gutschein in der Höhe von USD 100.-, den sie natürlich nur bei Apple einlösen können.

Trotz all dieser Widrigkeiten für die Käufer hat Apple nach eigenen Angaben bereits innerhalb von 74 Tagen das millionste iPhone verkauft. Stimmt die Zahl, ist das schon ganz beeindruckend. Dies beflügelt nun das Nebengewerbe und generiert hoffentlich auch neue Arbeitsplätze, damit die Kundenknechtung wenigstens auch etwas Positives hat. iPhoneSimFree.com bietet eine Software-Lösung zur Deaktivierung des SIM-Locks, um auch mit anderen Mobiltelefonieanbietern telefonieren zu können. Leider werden die Software-Lizenzen nur zu Losen ab 50 Stück verkauft, was nur für Händler interessant ist. Privatpersonen werden an die Wiederverkäufer verwiesen, die den Endkunden eine Lizenz für 49.- bis 99.- US-Dollar anbieten. Das iPhone ist damit das erste Smartphone, das vor dem Gebrauch erst einmal (dank DMCA mittlerweile legal) gehackt werden muss.

Nachtrag vom 12.09.2007:

Den Softwarehack gibt es jetzt auch als Open Source kostenlos zum Download bei HaRRo. Nur leider scheint die Website infolge Überlastung gerade getaucht zu sein, was eigentlich nicht weiter verwundert. Es gibt jedoch keine Garantie, dass der Software-Hack auch noch nach einem zukünftigen Update der Firmware funktionieren wird. Es muss davon ausgegangen werden, dass Apple mit einem künftigen Update versuchen wird, weitere Software-Hacks zu verunmöglichen. Dabei könnte doch gerade diese neue Hacker-Welle den Kultstatus des Apfel-Smartphones betonieren. Wäre ich Steve Jobs, würde ich mir dies zunutze machen.

Weitere Informationen zum Thema findet Ihr bei:

EU will „gefährliche Wörter“ im Internet zensurieren

Willkommen im Zeitalter der staatlichen Bevormundung! Das sind ja schöne Aussichten: Neben der Online-Überwachung sollen wir künftig auch noch die staatliche Zensurierung von Webseiten hinnehmen müssen. Jetzt will doch tatsächlich der für Justiz und Sicherheit zuständige EU-Kommissar Franco Frattini prüfen, wie die Nutzung von beziehungsweise Suche nach „gefährlichen Wörtern“ wie „Bombe“, „töten“, „Völkermord“ oder „Terrorismus“ technisch unterbunden werden kann. Im Rahmen eines Anti-Terror-Plans soll den EU-Mitgliedsstaaten im November ein entsprechender Vorschlag vorgelegt werden. (Zu lesen bei Heise, Golem und Reuters)

Machen wir jetzt eine Zeitreise in die Vergangenheit? Das mit den verbotenen Büchern haben wir in Europa das letzte Mal doch gerade erst vor ein paar Jahrzehnten brauner und roter Diktatur zu Grabe getragen. Müssen wir nun wirklich dem Beispiel Chinas und des Irans folgen? Wollen wir uns ins tiefe Mittelalter zurück katapultieren lassen? Wer entscheidet, welche Webseiten gefährliche Wörter enthalten, die den Terrorismus begünstigen und zum Bombenbau anleiten? Pseudo-intelligente Suchroboter etwa und oder eine Heerschar Arbeitsloser im Rahmen einer Beschäftigungstherapie? Kommt meine Website nun auch auf den Index? Wie kann man Rechtsmittel gegen einen Eintrag im Index ergreifen? Wer schützt uns vor der Willkür von unterbeschäftigten EU-Kommissaren?

Jetzt reicht’s aber endgültig! Diese digitale Inquisition muss aufgehalten werden!