In Unternehmen werden immer mehr Mitarbeiter in Kommunikations-Seminare geschickt, weil immer mehr Unternehmen die Wichtigkeit einer wirkungsvollen Kommunikation erkennen. Dort lernen die Teilnehmer als Erstes, dass in der Kommunikation der nonverbale Anteil überwiegt – viele sprechen von 85 Prozent, einige sogar von 93 Prozent, manche nur von 2/3. Der genaue Prozentsatz ist im Grunde auch gar nicht so wichtig und variiert von Mensch zu Mensch. Er widerspiegelt höchstens unseren Zwang, alles mit Zahlen ausdrücken zu wollen, um dadurch den Eindruck der Wissenschaftlichkeit zu erwecken. Entscheidend hingegen ist die Erkenntnis der Relevanz der nonverbalen Kommunikation. Wie wir etwas sagen, sagt viel mehr über unsere Botschaft und ihre Hintergründe aus, als der verbale Inhalt es tut.
Bei den allermeisten Journalisten scheint dies noch nicht angekommen zu sein, denn ihre Berichterstattung beschränkt sich ausschliesslich auf die verbale Kommunikation. Einzig Merkur-Online zeigte einmal vor einigen Jahren den Reichtum der Mimik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ohne diese jedoch näher zu interpretieren. Hier liegt noch unheimlich viel Potential brach. Dabei könnten Sportjournalisten ohne Interpretation der Körpersprache ihren Job gar nicht ausüben. In vielen Sportarten wird sehr viel oder sogar ausschliesslich mit dem Körper gesprochen, besonders wenn es laut zu und her geht. Hier ist der „Sprachschatz“ allerdings sehr limitiert und genormt, um den Interpretationsmöglichkeiten keinen Freiraum zu lassen. In der zwischenmenschlichen Kommunikation hingegen gibt es viel mehr Freiheitsgrade und auch einige Unterschiede diesbezüglich zwischen den Kulturen. Wer die nonverbalen Botschaften in jedem Kontext richtig zu interpretieren vermag, ist immer im Vorteil. Mit der Interpretation der Körpersprache von Politikern und Prominenten scheinen Journalisten auf breiter Front überfordert zu sein. Oder gehört hier ein Tabu zur Berufsethik?
In der US TV-Serie „Lie to Me“ überführen Dr. Cal Lightman und sein Team Verbrecher durch die Analyse und Interpretation derer nonverbalen Kommunikation und insbesondere ihrer Mikro-Gesichtsausdrücke. Diese Mikroausdrücke (Mikroexpressionen) sind unwillkürliche Bewegungen der Gesichtsmuskeln, welche die wahren und unterdrückten Emotionen und Befindlichkeiten für nur Bruchteile von Sekunden verraten. Sie fallen erst auf, wenn sie nicht zur vorgetäuschten Körpersprache passen. Sie verraten, dass jemand etwas verstecken, vertuschen oder unterdrücken möchte, beziehungsweise ganz einfach lügt. Man muss gar nicht ein in dieser Kunst besonders geschulter Psychoanalytiker sein, um zumindest intuitiv Unstimmigkeiten zwischen den verbalen und nonverbalen Botschaften zu erkennen. Ein bisschen Menschenkenntnis, Lebenserfahrung und Beobachtungsgabe reichen vollkommen und sogar sehr einfach gestrickte Zeitgenossen sind bis zu einem gewissen Grad in der Lage, die Körpersprache eines andern richtig zu interpretieren. Schliesslich entschied diese Fähigkeit einst vor ein paar Jahrtausenden oft über das Überleben eines Menschen. Bis heute hat sich gar nicht so viel daran geändert.
Secrets of Body Language (history.com – leider nur englisch verfügbar)
Die Arbeit der Psychoanalytiker wird immer mehr durch Software unterstützt und die völlig autonome, automatisierte Auswertung in Echtzeit macht die Überwachung auch grösserer Menschenmassen schon bald möglich. An mehreren Flughäfen der Welt laufen seit einiger Zeit Versuchsinstallationen zur Erkennung von verhaltensauffälligen und somit potenziell gefährlichen Personen (wie z.B. Terroristen). Die Resultate sind auf Grund der false positive Erkennungsrate (d.h. fälschlicherweise als erkannt eingestufte Resultate) bisher noch eher ernüchternd. Doch mit den steigenden Rechnerleistungen und den verbesserten Software-Algorithmen ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch in der Massenanwendung brauchbare Resultate erzielt werden. Die einfache Gesichtserkennung bei Facebook ist nur ein einfaches Abfallprodukt dieser Entwicklung. Wer im Web nach „Face Reader“ sucht, findet bereits recht brauchbare Software zur Interpretation von Gesichtsausdrücken.
Während in einzelnen Bereichen bereits ganze Persönlichkeitsanalysen auf der Grundlage der nonverbalen Kommunikation einzelner Zeitgenossen erstellt werden, hat diese psychologische und mittlerweile auf recht hohem wissenschaftlichen Niveau operierende Analysetechnik in der Berichterstattung der Medien noch nicht Einzug gehalten. Diese berichten konsequent und praktisch ausschliesslich nur über die verbalen Aussagen von Personen, obwohl doch hinlänglich bekannt ist, dass der weitaus grössere Teil der Kommunikation nonverbal stattfindet. Dabei wäre es doch von grossem öffentlichen Interesse, zu wissen, wann welche Politiker die Wahrheit sagen und wann sie uns wieder einmal unverfroren anlügen. Die Massenmedien sind viel zu spät und nur sehr zögerlich auf den Zug „Internet“ aufgesprungen. Ebenso verschlafen sie gerade, die Errungenschaften der Psychologie in Zusammenarbeit mit der Informatik zu nutzen, um die Botschaften der nonverbalen Kommunikation zu entschlüsseln und ihren Kunden zugänglich zu machen.
Deinen Entschluss, kein manipulatives Lügen-Coaching zu machen, finde ich sehr lobenswert. Für einen ehrlichen Menschen muss so etwas auf die Dauer doch recht belastend sein.
Deinen Artikel Körpersprache-Expertin: Bettina ist der „Leit-Wulff“ in der Thüringer Allgemeine fand ich übrigens sehr lesenswert. Er zeigt wieder einmal klar, dass hinter jedem grossen Mann eine starke Frau steht 😉 Klar, Wulff hat sich nicht einwandfrei verhalten. Dass er nun dafür gleich mit einem solchen Abgang büssen musste, erscheint mir allerdings übertrieben. Da müssten Schäuble und Merkel schon lange abdanken. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er aus einem ganz anderen Grund geopfert wurde. Vielleicht, weil er als Jurist einen Kommentar zum verfassungswidrigen ESM-Vertrag gemacht hat und gewisse Leute fürchten mussten, dass Wulff diesen als Bundespräsident eventuell nicht unterschrieben hätte? Mich würde interessieren, was eine Analyse der Körpersprache von bestimmten Personen ergeben würde, die zu diesem Thema mit Wulff an öffentlichen Auftritten teilgenommen haben.
Hallo LD,
eine interessante Frage! In meinen Einzel-Coachings geht es hauptsächlich um körpersprachliche Blockaden, die ich in seelisch-geistige Hintergründe übersetze und um von dort aus einen natürlichen Zustand – nach Auflösung, der Glaubenssätze, Konditionierungen etc. – wieder zu zu lassen.
Ich trainiere also keine Vorgaben, sonder schaue, wo ist die Natur des Menschen und was hindert ihn/sie daran, dies frei auszudrücken.
Bei Politikern, Promi’s udgl. ist meist das Ziel ein anderes und nach einigen Erfahrungen arbeite ich mit dieser Klientel nicht mehr. Sie möchten wissen, was sie körperlich tun sollen, um die (innere) Lüge nicht zu offensichtlich werden zu lassen …. Unlauterkeit körpersprachlich optimieren also.
Mein Ziel ist nicht die totale Veränderung hin zu einem ‚guten‘ Erscheinungsbild (was auch immer das ist und wer das festlegt!), sondern eine Befreiung des Menschen und seiner zugehörigen KörperSprache hin zu seinem individuellen, einzigartigen Sein und dessen Ausdruck über den Körper.
Mit bestem Gruß
Sabine Mühlisch
KörperSprache & UnternehmensKörper
Hallo Sabine
Du bietest auch Einzelcoachings an. Welche Erfahrungen hast Du damit gemacht? Wie schwer ist es, die Körpersprache eines Menschen gezielt zu trainieren und dabei ev. sogar komplett zu verändern?
Was bedeutet die Mehrabian-Studie wirklich?
Die erwähnten Prozentzahlen zu KörperSprache stammen aus der Studie von Mehrabian.
Albert Mehrabian, Professor an der University of California (UCLA) hat die Studien 1967/68 gemacht und 1971 veröffentlicht. Zwei Studien wurden weitgehend vereinfacht und anschliessend kombiniert. Es wurde dabei mit einzelnen Wörtern und mit Fotos von Gestik und Mimik gearbeitet. Dargestellt waren unterschiedliche Emotionen, die es zu erkennen gab. Das eigentliche Ergebnis war, dass Menschen Inkongruenz sofort in der Lage sind zu erkennen. Mehrabian selbst hat betont, dass er nie beabsichtigt hat, dass daraus eine allgemeine Erkenntnis für Kommunikation entsteht.
Trotzdem setze ich diese Studie gerne ein. Sie zeigt, wie wichtig Körpersprache und die Sprechstimme sind. Glauben wir doch bei einem Menschen, der uns bestätigt eine Aufgabe erledigt zu haben und dabei den Blicken ausweicht, eher den nonverbalen Signale als den Worten. Und das ist es auch was uns Mehrabian zeigen wollte.
Ob die Prozentzahl der nonverbalen Bedeutung nun bei 93 % oder doch nur bei 80 % liegt, die Tendenz ist auch in der „normalen“ Kommunikation eindeutig.
Sabine Mühlisch, KörperSoprache & UnternehmensKörper, http://www.Sabine-Muehlisch.de