Vor einiger Zeit machte die Meldung von der Verurteilung des chinesischen Dissidenten Wang Xiaoning zu zehn Jahren Haft wegen „Anstachelung zur Zersetzung der Staatsmacht“ Schlagzeilen. Dazu kam es nur, weil Yahoo durch die Preisgabe detaillierter Informationen an die chinesischen Behörden die Identifikation von Wang ermöglicht hatte. Dieser hatte lediglich per E-Mail Artikel verschickt, die sich für demokratische Reformen und ein Mehrparteiensystem aussprachen. Yahoo hat sich damit zum Helfer des chinesischen Polizeistaates gemacht und soll jetzt dafür büssen.
Wang Xiaoning und seine Ehefrau haben mit Hilfe von US-Menschenrechtlern beim US-Bezirksgericht für Nord-Kalifornien Klage eingereicht. Der Klageschrift zufolge erlitt Wang Folter und andere unmenschliche Behandlung, weil er sein Recht auf freie Rede wahrgenommen und das Internet zur Kommunikation über Demokratie und Menschenrechte genutzt hat. Dank dem Alien Tort Claims Act von 1789 und dem Torture Victims Protection Act von 1992, die es ermöglichen, aus Menschenrechtsverstössen wie Folter und Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren und Beihilfe dazu auch im Ausland zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen, soll Yahoo für seinen Datenverrat an die Polizeibehörden Chinas zur Rechenschaft gezogen werden. Manchmal kann ich dem Rechtssystem der USA auch ganz positive Seiten abgewinnen.
Yahoo ist bisher der einzige Internetanbieter, welcher der Beihilfe zur Menschenrechtsverletzung angeklagt wurde. Tatsächlich geht bei genauerer Betrachtung aus Yahoo’s Privacy Policy hervor, dass der Internetanbieter nicht wirklich viel Wert auf den Datenschutz legt. Die ethischen Standards lassen zu wünschen übrig. Unternehmenssprecher Jim Cullinan sagte der New York Times: „Firmen, die Geschäfte in China machen, sind gezwungen, die chinesischen Gesetze zu befolgen.“ Für Yahoo sei es unmöglich zu wissen, wofür Chinas Behörden die Inhalte von E-Mails und Verbindungsdaten verwenden. Solche Scheinheiligkeit könnte Yahoo teuer zu stehen kommen, sollte die Klage Erfolg haben. Jedenfalls hat sie recht gute Aussichten darauf.
Yahoo hat inzwischen seine E-Mail-Dienste in China ganz an sein chinesisches Partnerunternehmen Alibaba.com übergeben. Konsequenzen für andere Internetfirmen wie Google, Microsoft und Cisco Systems, die in der Kritik stehen, weil sie ihre Webseiten und Inhalte in China gemäss den Vorgaben der Regierung zensurieren, sind zu hoffen. Wie gross das Missbrauchspotential von Verbindungsdaten ist, zeigt der Fall von Wang Xiaoning ganz deutlich. Da soll mir doch einer erklären, die Vorratsdatenspeicherung sei völlig unproblematisch!