Immaterialgüter

Inhaltsüberwachung verstösst gegen Grundrechte

Europäischer Gerichtshof - LogoDer Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden (PDF), dass Internetzugangs-Anbieter (Internet Service Provider, ISP) nicht nur nicht gezwungen werden dürfen, die übertragenen Daten ihrer Kunden ohne einen ausreichenden Verdacht und richterlichen Beschluss auf rechtswidrige Inhalte (vor allem im Hinblick auf Urheberrechtsverletzungen beim Austausch von Film- und Musik-Dateien) zu überprüfen, sondern bezeichnet eine solche verdachtslose Überwachung als Verstoss gegen die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und als unvereinbar mit den Grundrechtecharta der EU. Die Inhaltsanalyse des Datenverkehrs mittels Deep Packet Inspection (DPI) verursacht Kosten beim ISP, schränkt dessen unternehmerische Freiheit ein und verstösst gegen die Netzneutralität. ISPs sollen nicht Polizei für die Unterhaltungsindustrie spielen müssen. Jedes anders lautende Urteil hätte zudem weitreichende Konsequenzen für die Menschenrechte und würde einen völlig unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre bedeuten. Besteht allerdings ein hinreichender Verdacht mit konkreten Anhaltspunkten zu einer Rechtsverletzung beziehungsweise einer Straftat, die einen solchen Eingriff rechtfertigen würde, ist eine Überwachung des Datenverkehrs der betroffenen Person mit einer gerichtlichen Anordnungen auf einer entsprechenden Rechtsgrundlage weiterhin möglich, wobei ein Zugangsanbieter im Rahmen seiner Möglichkeiten und des ihm Zumutbaren zur Mithilfe verpflichtet werden kann.

Die Unterhaltungsindustrie täte gut daran, ihre Ansprüche und vor allem ihr Geschäftsmodell zu überprüfen und an die Realität des Informationszeitalters anzupassen. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass Daten in digitaler Form unabhängig von ihrem Inhalt beliebig verlustfrei und praktisch kostenlos kopiert werden können. Einen technischen Schutz, der die Nutzung dieser Daten gezielt steuern liesse gibt es nicht und kann es prinzipbedingt gar nicht geben, ohne die Privatsphäre der Nutzer vollständig abzuschaffen. Dies hat einen grossen Einfluss sowohl auf Immaterialgüter als auch auf den Datenschutz. Es wäre an der Zeit, dass diese Tatsachen endlich auch eine entsprechende Berücksichtigung in der Gesetzgebung finden würden. Diese hinkt der technologischen Entwicklung leider um Jahrzehnte hinterher.

Insekten-Hüftgelenke und Patente

Grosser brauner RüsselkäferWissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben herausgefunden, dass die Hüftgelenke von allen Rüsselkäferarten nicht wie bisher angenommen Kugel- oder Scharniergelenke sind, sondern wie Schraube und Mutter funktionieren. Damit ist die Schraube keine menschliche Erfindung sondern lediglich die Entdeckung eines Prinzips, das in der Natur schon seit Millionen von Jahren existiert.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern Erfindungen von Entdeckungen unterschieden werden können und wie damit eine der vier Grundvoraussetzungen für ein Patent überprüft und nachgewiesen werden kann. Was geschieht mit rechtsgültig erteilten oder sogar gerichtlich bestätigten Patenten, wenn man später entdeckt, dass es sich nicht um eine bislang nicht dagewesene technische Erfindung handelt? Wird es dann für ungültig erklärt? Der vorliegende Fall hat grundsätzlich das Potential, das gesamte Patentwesen in Frage zu stellen.

Monsanto erhält Patent auf Melonen

Keine Patente auf Saatgut!

Wer hat’s erfunden? Wer hat’s patentiert? Der jüngste Streich des globalen Saatgut- und Pestizidherstellers Monsanto zeigt, in welch absurde und perverse Richtung sich das Patentrecht entwickelt. Um das Wissen darüber breiter zu streuen, veröffentliche ich dazu die Presseerklärung des Bündnisses Keine Patente auf Saatgut! (no patents on seeds):

Melonen als Erfindung von Monsanto

US-Konzern erhält ein europäisches Patent auf konventionell gezüchtete Melonen

München, 17. Mai 2010. Nach aktuellen Recherchen des Bündnisses Keine Patente auf Saatgut! hat der US-Konzern Monsanto im Mai 2010 ein europäisches Patent auf Melonen aus konventioneller Pflanzenzucht erhalten (EP 1 962 578). Die Melonen weisen eine natürliche Resistenz gegenüber einer bestimmten Viruskrankheit auf. Mithilfe üblicher Züchtungsverfahren wurde diese Widerstandsfähigkeit, die man zuerst in Melonen aus Indien fand, auf andere Melonen übertragen. Diese gelten jetzt als „Erfindung“ von Monsanto.

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Keine Patente auf Tiere und Pflanzen!

Keine Patente auf Tiere und Pflanzen!

Die Patentierung von Pflanzen und Tieren geht unvermindert weiter. Das Europäische Patentamt in München will auch weiterhin Patente auf Saatgut, Pflanzen und Lebensmittel erteilen, die mit Hilfe konventioneller Züchtung hergestellt werden. Diesem unethischen Missbrauch des Patentrechts muss Einhalt geboten werden!

Die Erklärung von Bern, Greenpeace, die Initiative Kein Patent auf Leben!, die Hilfswerke MISEREOR und SWISSAID sowie der Entwicklungsfonds UTVIKLINGSFONDET haben sich deshalb zur Inititiative Keine Patente auf Saatgut! zusammengeschlossen und wenden sich in einem offenen Brief an die Mitglieder des Europäischen Parlamentes und die Europäische Kommission, um die negativen Folgen der europäischen Patentrichtlinie zu korrigieren, welcher das Europäische Parlament 1998 zugestimmt hat (Richtlinie „Rechtlicher Schutz Biotechnologischer Erfindungen“, Dir. 98/44 EC). Die Richtlinie wurde 1999 auch in das Regelwerk des Europäischen Patentamtes übernommen. Seitdem wurden etwa 900 Patente auf Tiere und etwa 1’800 Patente auf Pflanzen erteilt.

Diese Patente auf Pflanzen, Saatgut und landwirtschaftliche Nutztiere stellen einen Missbrauch des Patentrechtes zur Aneignung der Grundlagen der menschlichen Ernährung dar und haben weitreichende negative Auswirkungen auf Landwirte, Züchter, Lebensmittelhersteller und Verbraucher, wie ich selber schon in einem früheren Beitrag aufgezeigt habe. Wir fordern eine grundlegende Änderung im Europäischen Patentrecht, um Verfahren zur Züchtung, Zuchtmaterial, Pflanzen und Tiere und daraus gewonnene Lebensmittel von der Patentierbarkeit auszuschliessen.

Die Mitglieder des Europäischen Parlamentes und die Europäische Kommission sollen bewegt werden, für die Überarbeitung des Europäischen Patentrechtes einzutreten und klare Verbote der Patentierung von Züchtungsverfahren, von Züchtungsmaterial, Pflanzen und Tieren und von Lebensmitteln, die aus diesen gewonnen werden, zu beschliessen. Bisher haben bereits 115 Organisationen und über 6’700 Einzelpersonen den offenen Brief unterschrieben. Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist, ist die EU-Gesetzgebung auch für uns entscheidend. Das Europäische Patentamt übernimmt EU-Recht und erteilt auch Patente mit Gültigkeit in der Schweiz.

Mach mit! Unterschreibe auch Du den offenen Brief an das Europäische Parlament und fordere ein generelles Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tieren!

Wer keine Möglichkeit hat, seine Stimme elektronisch abzugeben, dies lieber herkömmlich auf einem Stück Papier tun will oder konventionell Unterschriften sammeln will, findet hier eine PDF-Vorlage zum Ausdrucken. Die Unterschriftensammlung läuft bis am 31.12.2011.

Die Initiatoren:


Erklärung von Bern

KEIN PATENT AUF LEBEN!

Misereor

Development Fund

SwissAid

Greenpeace

Immaterialgüterrecht zwischen Kommerz und Ethik (Teil 1)

JustitiaDas Immaterialgüterrecht beschäftigt mich nun schon seit einigen Jahren. Mir scheint, dass das geltende Recht und dessen aktuelle Weiterentwicklung immer weniger das Rechtsempfinden der breiten Bevölkerung widerspiegelt. Durch die Digitalisierung und anhand der Patentierung von Nahrung und lebenden Organismen wird diese Kluft erst wirklich so richtig sichtbar. Das Immaterialgüterrecht ist weder ein Naturrecht, noch basiert es auf einer sozialen Konvention. Es wurde von einer juristischen Elite erfunden, um einer kleinen Minderheit einen kommerziellen Vorteil zu verschaffen. Die Zahl der Rechtsanwälte, die sich mit dem Immaterialgürrecht befassen, ist die zweitgrösste gleich nach der der Scheidungsanwälte. So einfach das Thema auf den ersten Blick auch zu sein scheinen mag, so kompliziert ist die Materie, wenn man sich mit ihrer konkreten (technischen) Anwendung und ihren massiven gesellschaftlichen Auswirkungen befasst. Dann kommt man nicht umhin, neben kommerziellen und rechtlichen Aspekten sowohl die Ethik als auch die Funktionsweise der Technologie in die Überlegungen miteinzubeziehen. Dies habe ich in den vergangenen Jahren getan und meine Gedanken dazu in dieser 3-teiligen Beitragsreihe formuliert.

Zum Immaterialgüterrecht gehören das Patentrecht, das Marken- und Designrecht und das Urheberrecht. Die vorliegende Beitragsreihe beschäftigt sich ausschliesslich mit dem Patent- und dem Urheberrecht, ihrer Anwendung im Zusammenhang mit den aktuellen Technologien und den damit verbunden Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Rechtspraxis.

Gesellschaftliche Auswirkungen technologischer Entwicklungen

Dank der Informations- und Kommunikationstechnologie von heute ist die digitale Speicherung, Verarbeitung und Übertragung von Informationen innert kürzester Zeit, ohne Qualitätsverlust und unabhängig von der Übertragungsdistanz möglich. Dies führt zu immer schnelleren Entwicklungszyklen im Markt und ganz neuen Herausforderungen in einer globalisierten Gesellschaft, deren Wirtschaftswachstum in erster Linie auf dem Raubbau an natürlichen Ressourcen, einer stetig wachsenden Verschuldung und einer erhöhten Umlaufgeschwindigkeit von Geld und Gütern basiert. Zu einem der in diesem Zusammenhang brisantesten Themen gehört unbestritten das Immaterialgüterrecht mit weitreichenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

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Neues aus Absurdistan 9

Mit der „Entrückung“ anderer kann man Geld verdienen, das US-Patentamt zeigte sich wieder einmal von seiner völlig inkompetenten Seite und eine Schulgemeinde glaubte, ihre Schüler über die Webkamera deren Notbooks auch zuhause überwachen zu müssen, und steht nun vor Gericht.

Vom Glauben der anderen profitieren

EntrückungDamit Christen in den USA, die an ihre kurz bevorstehende Entrückung in den Himmel glauben, ihre irdischen Haustiere nach ihrer plötzlichen Himmelfahrt in guten Händen wissen, betrauen sie Atheisten mit deren Betreuung. Darauf beruht das Geschäftsmodell von Bart Centres Dienst „Eternal Earth-Bound Pets„, für den er ein Netz von ungläubigen Tierpflegern aufgebaut hat. Naja, so lassen schliesslich auch orthodoxe Juden am Sabbath alles ihnen Verbotene von sogenannten „Shabbat Goys“ verrichten. Für irgendetwas sind auch die Ungläubigen immer zu gebrauchen. (Quelle: heise TELEPOLIS)

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Digitalisierung: Fluch oder Segen?

DigitalisierungDie schöne Welt der Computer und unbegrenzten Kommunikation hat uns sehr viele Annehmlichkeiten beschert. Doch allmählich scheint das Pendel in die andere Richtung zu schlagen. Wir haben uns von einer Technologie abhängig gemacht, die uns Segen und Wohlstand versprach. Doch langsam fängt das Bild der schönen, heilen Computerwelt mit ihren digitalisierten Inhalten zu bröckeln an.

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Neue CC-Lizenz

approved for free cultural worksAls Verfechter eines sozialen Immaterialgüterrechts habe ich auch die Nutzung aller meiner auf dieser Website veröffentlichten Inhalte weiter gelockert und ab sofort unter die offenste Creative Commons Lizenz gestellt: Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen.

Die Verbreitung ist weiterhin erlaubt und erwünscht. Neu ist ab heute auch die Bearbeitung der Inhalte erlaubt. Das heisst, Du darfst alle meine Texte und Bilder weiterbearbeiten und in Deine eigenen Werke einbinden (und alle meine Schreibfehler korrigieren). Die einzige Bedingung ist die Nennung meines Namens als Ursprungsautor. Im Falle einer Verbreitung musst Du anderen die Lizenzbedingungen, unter welche dieses Werk fällt, mitteilen. Am einfachsten bindest Du dazu einen Link auf diese Seite ein.

Der unerlaubte Umgang mit Daten

RechenzentrumWenn Daten in falsche beziehungsweise nicht autorisierte Hände geraten, ist immer wieder die Rede von „Identitätsdiebstahl„, „Raubkopie„, „Datenklau“ und „Datenverlust“, obwohl der rechtmässige Eigentümer normalerweise weiterhin im Besitz der Daten ist. Da die Daten meist lediglich kopiert und nicht physisch (zusammen mit dem Datenträger) entwendet werden, kommt niemandem eine „Sache“ abhanden. Die Körperlichkeit von Daten wird deshalb vielfach immer wieder bestritten, wobei nicht bloss Daten im klassischen Sinne wie Kundeninformationen oder Mitarbeiterdaten (die üblicherweise in Datenbanken gespeichert werden) sondern auch sämtliche digitalisierten Inhalte wie Texte, Audio- und Video-Daten sowie auch Software als Daten zu betrachten sind. Dies führt regelmässig zu heftigen Diskussionen um das Immaterialgüterrecht.

Ein Begriff, der den jeweiligen Sachverhalt für unerlaubten Datenbesitz beziehungsweise das unerlaubte Kopieren und Verwenden von Daten eindeutig und korrekt widergibt, fehlt bislang in unserer Sprache, was immer wieder zu Missverständissen und gelegentlich auch zu Fehlurteilen von technisch weniger kundigen Rechtsgelehrten führt. Continue reading

Spieleindustrie lernt aus Fehlern der Musikindustrie

EA Sports Chef Peter Moore sprach sich auf der aktuellen Games Convention in Leipzig gegen die juristische Verfolgung von Tauschbörsennutzern aus: „Es hat für die Musikindustrie nicht funktioniert. […] Ich persönlich denke, wir sollten nicht in die selbe Falle tappen wie die Musikbranche. Er versicherte, Electronic Arts hege keine Pläne, die eigenen Käufer rechtlich zu bedrohen.

Die teuren Honorare für die Rechtsanwälte können bestimmt sinnvoller investiert werden, als zur Verklagung von P2P-Filesharern. Moore’s Einsicht hat jedoch mehr ökonomische als ethische Hintergründe, denn wer seine Kunden verärgert, macht schliesslich seinen eigenen Markt kaputt. Die Musik- und Filmindustrie kann ein Lied davon singen. Da kann man nur hoffen, dass auch Moore’s Mitbewerber dies so sehen.

15. Bericht des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) Hanspeter Thür unterstreicht in seinem 15. Tätigkeitsbericht (PDF), dass die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen in Internet-Tauschbörsen unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes zu erfolgen hat und verweist dabei auf das geltende Telekommunikationsgeheimnis. Continue reading