Der 2008 verstorbene und stets um politische Unkorrektheit bemühte US-Komiker George Carlin liess sich einst auch über die Werbung aus. Wenn Werber und Politiker plötzlich nicht mehr lügen sondern alle nur noch ehrlich sein würden, würde unser Gesellschaftssystem kollabieren.
Der Spar- und Kostendruck hat längst auch die Schulen erreicht. So gelingt es ihnen immer weniger, vakante Lehrerstellen zu besetzen. Die Qualität der Ausbildung der heranwachsenden Generation leidet. Findige Schulen setzen auf Sponsoring und wagen sich damit auf eine Gratwanderung zwischen Ethik und Prostitution.
Lehrer sind Mangelware
Der Markt für Lehrkräfte ist praktisch völlig ausgetrocknet. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich und Deutschland fehlt es an qualifizierten Lehrern. Mit Notmassnahmen wird versucht, die Situation zu lindern und zu überbrücken. Ganze Klassen werden aufgelöst und auf andere Klassen verteilt. Wahlfächer werden gestrichen. Bereits pensionierte Lehrer werden zurückgeholt und Wiedereinsteiger zur Rückkehr in den Beruf animiert. (Quelle: 20 Minuten)
Eine pädagogische Ausbildung mit einer guten Allgemeinbildung allein reicht heute vor allem fachlich bei weitem nicht mehr, um den hohen Anforderungen des Lehrerberufs gerecht zu werden. Aber auch Sozialkompetenz und ein gesunder Menschenverstand wären wichtiger als ein Pädagogen-Zertifikat, das lediglich die korrekte Wiedergabe und Anwendung simpler Unterrichtsmethodik bestätigt. Kinder brauchen Vertrauen, Geborgenheit und eine sowohl in fachlicher als auch in sozialer Hinsicht kompetente Anleitung. In den Stellenausschreibungen für Lehrer sucht man allerdings vergebens nach solche Anforderungskriterien.
In einer zivilisierten und angeblich freien und aufgeklärten Welt glauben wir, uns frei unsere eigene Meinung bilden zu können und weitgehend immun gegen Propaganda zu sein. Dies in einer Zeit, in der Werbung mehr denn je allgegenwärtig ist: am Fernsehen, im Radio, in der Tageszeitung, im Fachmagazin, an der Bushaltestelle, beim Warten vor dem Postschalter, beim Besuch auf Websites, beim kostenlosen Emailkonto und im Fussballstadion. Es gibt kaum noch einen Bereich des Lebens, der nicht von Propaganda verseucht ist. Werbung für Produkte und Dienstleistungen kann aber noch als die harmloseste Art von Propaganda betrachtet werden, weil hier die meisten Werbebotschaften auf unser bestehendes Werteverständnis zugeschnitten sind und lediglich animierende Funktion haben, ohne unser Wertesystem selber zu verändern.
Wer ist immun gegen Propaganda?
Was ist aber, wenn eben gerade dieses Werteverständnis zum Gegenstand der Propaganda und zum Ziel der Beeinflussung und Manipulation wird? Wenn unsere Wahrnehmung und Bewertung unserer Umwelt sich durch äussere Einflüsse verändert? Wenn wir gar nicht merken, wie unsere Hirnwindungen neu „verdrahtet“ werden? Wenn wir unsere Persönlichkeit und Wertvorstellungen verändern und dabei glauben, wir hätten schon immer so gedacht? Und plötzlich kommt jemand, um uns aus diesem Zustand der Verblendung zu befreien. Zunächst reagieren wir gewöhnlich erstaunt, ungläubig und ablehnend. Schliesslich betrachten wir uns selber als erwachsene, freie und mündige Bürger, die keiner Aufklärung oder Erlösung mehr bedürfen. Es braucht viel Mut und Erkenntniswillen, sich und seiner Umwelt einzugestehen, getäuscht und ein Opfer von Propaganda geworden zu sein.
Der Kurzfilm „Schwarz wie Milch“ als Bachelorarbeit von Stefan Kempas an der Hochschule Ulm handelt von der Beeinflussung durch die Medien:
Der Kernsatz des Films ist: „Und wenn die Welt nur noch aus Lügen besteht, dann wird die Wahrheit das einzige sein, das niemand mehr glaubt.“. Wie immun sind wir wirklich gegen Propaganda?
Der 15-jährige Matthew Robson hat im Rahmen seines Praktikums bei der Investmentbank Morgan Stanley eine Medienanalyse aus der Sicht eines Teenagers durchgeführt und damit anscheinend die Welt der gestandenen Analysten erschüttert. Von einem „Sensationsbericht“ und von „klarsten und aufrüttelndsten Erkenntnissen“ ist sogar die Rede. Die Ergebnisse des Jungen erstaunen mich nicht, aber dafür umso mehr die Reaktionen der „Fachwelt“, denn Robsons Erkenntnisse sind keinesfalls neu oder überraschend – jedenfalls nicht für jene, die sich seit längerem realistisch-analytisch mit dieser Materie befassen und selber Kinder im Teenie-Alter haben.
Der letzten Freitag veröffentlichte Bericht zeigt:
Twitter ist für die Jugend irrelavant.
Plattformen wie Facebook, die eine breite Palette an Interaktionsmöglichkeiten bieten, sind gefragt.
In Büchern schlagen Teenager nur ungern etwas nach, denn mit Google kommen sie schneller zum Ziel.
Die regelmässige Nutzung des Internets gehört zum Alltag eines Teenagers. Am liebsten vergnügen sie sich auf Facebook oder schauen sich auf YouTube Videos an.
Der Medienkonsum von Teenagern ist höher als von älteren Zeitgenossen, aber die Bereitschaft, dafür zu bezahlen, ist ausgesprochen tief.
Facebook hat es bisher nicht geschafft, die Werbeeinblendungen auf die Profile seiner Nutzer zurechtzuschneidern und damit Geld zu verdienen. Ein neues Umfrage-Tool soll dies nun ändern. „Engagement Ads“ nennt sich das neue System und nutzt die Angaben in den persönlichen Profilen, um den Nutzern zusätzlich gezielte Fragen zu stellen. Die Ergebnisse werden in Echtzeit berechnet und können sofort genutzt werden. Das ist zwar weder völlig neu noch besonders innovativ, aber aus Sicht des Datenschutzes höchst brisant.
Etwas erstaunt aber dennoch erfreut habe ich zur Kenntnis genommen, dass das Deutsche Bundeskabinett heute den umstrittenen Gesetzesentwurfverabschiedet hat, wonach Kunden in die Weitergabe von Personendaten für Werbung von Drittfirmen einwilligen müssen. Es soll demnach grundsätzlich das Opt-in-Prinzip für die Weitergabe von persönlichen Daten an Dritte für Werbung, Markt- und Meinungsforschung gesetzlich verankert werden. Ausgenommen davon bleiben die Eigenwerbung, die Spendenwerbung insbesondere für gemeinnützige und kirchliche Organisation und auch die Werbung im reinen Geschäftsbereich (Business to Business – B2B). Auch die „Beipackwerbung“ – der Mitversand von Werbeunterlagen von Drittanbietern – soll erlaubt sein.
Besonders begrüssenswert erachte ich auch die neue Informationspflicht bei Datenschutzpannen. Zudem sollen marktbeherrschende Unternehmen den Abschluss eines Vertrages nicht mehr von der Bekanntgabe personenbezogener Daten und der Einwilligung der Betroffenen in die Nutzung zu Werbezwecken abhängig machen dürfen. Verstösse gegen das Datenschutzrecht sollen in Zukunft mit bis zu 300.000 Euro Bussgeld bestraft werden können. Dies verdeutlicht, dass Datenschutzrechtsverletzungen künftig nicht mehr als Kavaliersdelikte behandelt werden. Sogar der selbst so datensammelwütige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sprach von einem „kriminellen Unrecht“. Vielleicht will er ja bloss weitere Datenschutzskandale in der Privatwirtschaft vermeiden, um seine eigenen Überwachungspläne besser durchboxen zu können. Ob ihm das allerdings gelingt, wenn er die Bürger insgesamt für den Umgang mit ihren Daten sensibilisieren will?
Letztes Jahr habe ich geschrieben „Social-Networking-Blase platzt“ und „Soziale Netzwerke im Internet bröckeln„. Darauf wurde ich auch schon mal (offline) als „pessimistischer Spinner“ und Schwarzmaler bezeichnet, der keine Ahnung von Web 2.0 hat. Jetzt holt die Realität meine Kritiker ein, wie die netzeitung.de im Artikel „Niedergang der Netzwerke“ berichtet. Das einzige soziale Netzwerk, das meines Wissens unter dem Strich (noch) Geld verdient, ist Xing mit den Gebühren für Premium-Mitgliedschaften. Alle anderen Plattformen, die sich vorwiegend oder ausschliesslich über Einblendung von Werbung finanzieren, können nicht einmal kostendeckend operieren, geschweige denn einen Gewinn erwirtschaften. Werbung ist hier nicht erwünscht, stört nur und wird von den Benutzern kaum akzeptiert. Das werbefinanzierte Geschäftsmodell funktioniert folglich nicht. Aber eigentlich hätte man dies mit etwas Kenntnissen in Wahrnehmungspsychologie auch schon früher herausfinden können, bevor man Millionen für lustige Features verbrannt hat. Die Geeks freut’s, aber die Nerven von manch einem Risikokapitalgeber dürften schon recht angespannt sein. Zwischenmenschliche Beziehungen – auch geschäftliche sind nur solche – lassen sich eben nicht so einfach zu Geld machen, indem man die Benutzer sich virtuell verhyperlinken lässt und sie dann mit Werbung volldröhnt. Das Ende des Web-2.0-Hypes hat begonnen …
Wikipedia ist eigentlich ein Online-Lexikon. Jedenfalls wurde es von Jimmy Wales für diesen Zweck ins Leben gerufen. Seit einiger Zeit finden sich dort aber auch Inhalte, die definitiv nicht in eine Enzyklopädie gehören, denn auch findige Marketing- und Werbeleute haben die Plattform für ihre Zwecke entdeckt. Die Zahl dieser Einträge nimmt stark zu. Das scheint aber keinen wirklich zu interessieren.
Mit der Einführung der Abrechnung für Werbung nach dem Modell „Pay-per-Action“ (PPA) übernimmt nun Google die volle Kontrolle über seine Werbekunden. Zwar hat das Modell auf den ersten Blick für den seriösen Werber den Vorteil, dass er nur für die Schaltung seiner Werbung bezahlt, wenn diese zu einem Abschluss bzw. Online-Kauf führt (-> Conversion), d.h. wenn der Werbevermittler die Werbung beim richtigen Zielpublikum platziert hat. Der Werber muss höhere Auflagen des Werbemaklers erfüllen, um in den Genuss dieser Abrechnungart zu kommen (bei Google sind es mindestens 500 „Conversions“ in 30 Tagen). PPA schreckt unseriöse Werber und Werbemakler ab, durch Vortäuschung falscher Tatsachen Surfer dazu zu bewegen, auf einen Link/Button zu klicken. Denn wenn diese keine Geschäfte auf der Website tätigen, auf der sie landen, gibt’s auch keine Kohle. Das hat auch für den Konsumenten Vorteile, da er weniger irrelevante Werbung (Werbemüll) vorgesetzt bekommt. Dabei gewinnen alle. Eigentlich eine tolle Sache – so scheint es.
Schaut man sich das Ganze aber aus einer anderen Perspektive an, wird der wahre Beweggrund von Google deutlich. Mit diese Abrechnungsart macht Google kaum mehr Umsatz, gewinnt aber noch mehr Informationen über seine Werbekunden und den Erfolg ihrer Werbekampagnen. Aus diesen Daten sind Rückschlüsse auf den Gesamtumsatz eines Anbieters möglich. Ein Einbruch der Conversion Rate kann auch als vorlaufender Indikator für einen sinkenden Aktienkurs eines Unternehmens gedeutet werden. Google will kaum einfach nur seinen Wissensdurst stillen. Es liegt nahe, dass auch aus diesen neuen statistischen Daten Profit geschlagen wird – sei es zum Eigenbedarf oder durch den Verkauf an ausgewählte Kunden, die selbstverständlich in den USA beheimatet sind. Ein Fall von Wirtschaftsspionage? Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber Wissen ist Macht.
Bis vor kurzem galt in Fachkreisen das Marketing noch als fast exakte Wissenschaft der deterministischen Marktmanipulation. Das Web zwingt die Vertreter dieser These wieder zur Vernunft – und das ist gut so. Der moderne Kunde ist mündig (was auch immer das genau heissen mag) und selbstbestimmt. Er lässt sich nicht mehr so einfach manipulieren und durchschaut entsprechende Versuche viel öfter und schneller als früher. Seinem Unmut über nicht gehaltene Werbeversprechen macht er in Web-Foren, Blogs und auf anderen Plattformen des sozialen Austausches im Web Luft. Die Mund-zu-Mund-Propaganda („word of mouth marketing“) hat in den letzten Jahren durch das Web stark an Bedeutung gewonnen. Oft haben Firmen kaum noch Einfluss auf ihr eigenes Marketing, da es mittlerweile auch ohne sie stattfindet. YouTube ist der beste Beweis dafür. Vor allem Negativmeldungen verbreiten sich innert kürzester Zeit über den Globus und viele Unternehmen stehen dem machtlos gegenüber, völlig unfähig mit solchen Krisensituationen umzugehen. Die Börsenkurse reagieren mitunter sehr empfindlich auf solche Ereignisse.
Die Marketing-Channels (ja, es muss Neudeutsch sein) von heute sind viel anspruchsvoller als früher. Das simple Broadcasting von Werbebotschaften funktioniert im Web nicht. Nicht etwa, weil das Web virtueller Natur wäre. Nein, das Web ist ein ganz realer Bestandteil unseres Alltags geworden. Sondern weil das Internet mit seinen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen anders funktioniert als die klassischen Broadcasting-Medien wie TV, Radio und Print. Hier ist individuelle beziehungsweise individualisierte Kommunikation angesagt. Die alten Tugenden des Geschäftens erleben dadurch förmlich eine Renaissance. Werbung erfolgt über einen echten Dialog mit den Kunden und nicht mehr mittels Massenmailings. Früher musste ein Kaufmann in Alexandria seinem Kunden am Point of Sale Red und Antwort stehen. Durch das Gespräch über die Ware entstand Vertrauen. Es wurde quasi ein kundenindividuelles Branding betrieben. Branding ist Wertekommunikation über eine Marke. Wenn der Kunde diese Werte erkennt und für sich selber als wertvoll und nützlich empfindet, wird er nicht lange zögern und die Ware kaufen, sofern der Preis stimmt.
Das Web weist uns den Weg zu altbewährten Tugenden und führt zu einer längst überfälligen Bereinigung des Marktes. Die Tage der Anbieter mit nicht gehaltenen Werbeversprechen sind gezählt.