„Domain Name Front Running“ bezeichnet ein Internet-Insidergeschäft, bei welchem einem Nachfrager, der eine Domain registrieren möchte, diese vor der Nase weggeschnappt wird, um sie ihm anschliessend eventuell für teures Geld zum Verkauf anbieten. Das Wissen darüber holt sich der Übeltäter aus getätigten Abfragen bei Whois-Diensten und DNS-Tools, bei denen sich der Nachfrager zuvor über die Verfügbarkeit des Domainnamens erkundigt. Manche Dienste publizieren sogar die zuletzt abgefragten Domainnamen.
Das Phänomen existiert schon lange. Das Problem dabei ist die Beweisbarkeit, welche mindestens so schwierig ist, wie das Belauschen eines privaten Gespräches in öffentlichen Verkehrsmitteln zu beweisen. Auch ich hatte schon den Verdacht auf Domain Name Front Running, als mir ein Domainname aus einem ganzen Paket (einschliesslich aller wichtigen Top Level Domains) bei der Registrierung vor der Nase weggeschnappt wurde. Das ist ärgerlich.
Nun untersucht der Sicherheitssausschuss SSAC (Security and Stability Advisory Committee) der ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) aufgrund von Beschwerden von Betroffenen bei der ICANN, bei Registrierungsstellen und bei Patentanwälten, ob sich Personen, die mit Anfragen zur Verfügbarkeit von Domainnamen betraut sind, dieses Wissen zunutze gemacht haben.
H. Adamsky zieht im Handelsblatt-Blog denn auch Parallelen zum Insiderhandel in der Börsenwelt. Das Geschäft mit Domainnamen und -anfragen zieht aber noch weitere Kreise. Genau wie Suchmaschinen Auswertungen zu Suchanfragen verkaufen, soll auch Verisign (als Registrar der generischen TLDs .COM & .NET und einer der 13 grossen DNS Root Server) gemäss einem Bericht von DomainNameNews Auswertungen zu DNS-Anfragen für gutes Geld verkaufen. Solche Skandal-Meldungen zum Datenmissbrauch in der Online-Welt stützen nicht gerade das Vertrauen der User ins Medium Internet. Vielen mag das ja egal sein, da sie nicht direkt in Berührung mit der Materie kommen. Wenn man aber weiss, dass Verisign auch elektronische Zahlungen abwickelt und elektronische Zertifikate verwaltet, wird die Sache noch eine Spur brisanter.
Die ganze Geschichte zeigt eigentlich nur, dass im Internet immer noch der „Wilde Westen“ herrscht. Auch die Web 2.0 Blase zeugt davon. Natürlich gelten auch hier die bestehenden Gesetze, aber bei ihrer Interpretation und Anwendung für die Online-Welt herrscht noch immer in weiten Bereichen keine genügende Rechtssicherheit. Davon profitieren die modernen Raubritter der Informationsgesellschaft.