Recht

Wenn Überwacher zappen

ÜberwachungDer Schwedische Reichstag hat am Mittwochabend die Initiative von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt mit 143 gegen 138 Abgeordnetenstimmen (mit nur einer Stimmenthaltung) relativ knapp angenommen. Schweden erhält mit dem neuen Abhörgesetz sein Pendant zum umstrittenen britisch-amerikanischen Echelon-System. Die staatlichen Behörden bekommen ein allumfassendes Abhörrecht ohne Nachweis konkreter Verdachtsmomente und mit der Befugnis, den kompletten elektronischen Datenverkehr (Telefon, SMS, Fax, Email, Internet-Verkehr) zwischen Schweden und dem Ausland zu überwachen. So wird aber zum Beispiel auch der gesamte Verkehr mit jeder schwedischen Domain belauscht, die auf einem ausländischen Server gehostet wird. Das neue Gesetz stellt einen tiefen Eingriff in die Bürgerrechte ohne ausreichende Schutz- und Kontrollmöglichkeiten dar.

Continue reading

Juristen erklären die Informatik

Wenn Juristen die Rechtslage im Zusammenhang mit technischen Themen beurteilen müssen, sind sie mit ihrem Latein nur allzu rasch am Ende. Das alleine ist noch kein aussergewöhnliches Problem und liesse sich leicht durch den Beizug eines sach- und rechtskundigen Ingenieurs lösen. Wenn allerdings solche Rechtsgelehrte in der Richterrolle in Unkenntnis oder Verkennung der Technologie Recht sprechen, wird es allerdings höchst problematisch, denn sie Entscheiden oftmals über Schicksale von Personen und Unternehmen. Immer wieder führt technisches Nicht- und Halbwissen, vor allem wenn es zu allem auch noch (bewusst oder unbewusst) juristisch falsch interpretiert wird, zu Urteilen, bei denen ich manchmal nicht so recht weiss, ob ich lachen oder weinen soll. Auf jeden Fall möchte dann am liebsten in die Tischkante beissen.

Zum Glück gilt das nicht ganz für alle Juristen. Es gibt immer wieder Ausnahmen, die manchmal selbst mich erstaunen. Alexander Koch, seines Zeichens selber Doktor der Rechtswissenschaften und Freund der Informationstechnologie, hat unter daufaq.de Zitate aus Gerichtsurteilen und juristischer Fachliteratur zusammengetragen. Hier sind zwei meiner liebsten Brocken:

F: Woraus bestehen Daten auf einer Festplatte?
A: Elektronische Daten … bestehen – unabhängig davon, ob sie sich lediglich im Arbeitsspeicher befinden oder auf einem Datenträger wie Diskette/Festplatte o.ä. gespeichert sind – aus elektrischer Spannung und unterfallen daher nicht dem sachenrechtlichen Sachbegriff.

F: Worum handelt es sich bei dem so genannten World Wide Web (WWW)?
A: Bei diesem handelt es sich um ein auf dem Internet fußendes Programm, in dem sich Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen mit Informationen, Werbung usw. in optischen und akustischen Darstellungen präsentieren können.

Ich hoffe, dass immer mehr Juristen den Zugang zu technischen Themen finden. Dann fällt meine Zahnarztrechnung tiefer aus und die Tischplatten leben länger.

Missbrauch von Videoüberwachung leicht gemacht

Sicherheit durch Überwachung scheint sich immer mehr zum (auch staatlich verordneten) Standard zu werden. Die Luzerner Jungsozialisten haben im Vorfeld der Abstimmung über ein Reglement zur Videoüberwachung vom 1. Juni mit nur einem Laptop sowie einem handelsüblichen Empfangsgerät ausgerüstet Videoüberwachungskameras in verschiedenen Geschäften und anderen Orten der Stadt angezapft. Bei vielen Installationen wird das Videosignal nicht über ein Kabel sondern ungesichert mittels Funk übertragen, weil das viel günstiger ist. Wie leicht Videoüberwachung anzuzapfen und zu missbrauchen ist, dokumentiert der folgende Beitrag:

Weshalb nur die Jusos, die jungen Grünen und die Gewerkschaft Unia (unterstützt von ein paar weiteren kleinen Gruppen) sich für die rechtsstaatliche Freiheit engagieren und das Referendum gegen die Überwachungsvorlage ergriffen und innert kürzester Frist auch zustande gebracht haben, kann ich als parteiloser Ingenieur nicht so recht verstehen. Wo bleibt die Opposition der sonst so freiheitsliebenden SVP gegen das Reglement zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum?

Und plötzlich werden Leute, die früher tendenziell den Pflastersteine werfenden Chaoten näher standen, zu Bewahrern der Rechtsstaatlichkeit und der Privatsphäre. tempora mutantur … Ist das etwa so etwas wie die „neue linke Bünzligkeit“? Wo bleiben die bürgerlichen Parteien? Sind diese schon zu lethargischen Polit-Zombies mutiert? Ich verstehe bald die Welt nicht mehr.

Zentrale Datenbank für Sicherheitsbehörden

Wie der Tagesspiegel berichtet, will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Köln eine zentrale Abhöranlage bauen, wo alle Kommunikationsdaten in einer zentralen Datenbank beim Bundesverwaltungsamt zusammengeführt werden. Hier sollen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei (BPOL) direkt auf die Daten zugreifen können. „Um mit der Entwicklung auch weiterhin Schritt zu halten, besteht die Notwendigkeit, personelle wie technische Ressourcen der Sicherheitsbehörden zu bündeln. Hierdurch soll auch erreicht werden, die zur Verfügung stehenden Mittel effizient und sparsam einzusetzen.“ heisst es in der offiziellen Begründung. Mit Kostenersparnis und Effektivitätssteigerung wird hier für den nächsten Schritt in den Überwachungsstaat geworben und die Trennung von Polizei und Geheimdiensten unterlaufen. So konkretisieren sich also die Pläne zu den „neuen Formen des Wissensmanagements„. Über die wahren Hintergründe hatte ich ja schon einmal geschrieben.

Und heute berichtet der Spiegel, dass der Verfassungschutz Internet-Knotenpunkte überwachen will, um zum Beispiel „konspirative E-Mails“ abfangen und potentielle Attentäter frühzeitig erkennen zu können. Anscheinend legen es das Bundesinnenministerium und die Sicherheitsbehörden auf einen offenen Konflikt mit dem Bundesverfassungsgericht an. Jedenfalls zeigt das Ganze eines klar: Der Cyberkrieg wird schon lange geführt und wartet jetzt nur noch auf seine nachträgliche Legitimierung. Jeder Bürger steht dabei unter Generalverdacht und wird als potentieller Staatsfeind behandelt. Rosige Aussichten in einer globalisierten Informationsgesellschaft …

Gesetz gegen RFID-Sicherheitslücke

Wie man die Sicherheitsmängel bei RFID mit einem neuen Gesetz bekämpft, demonstriert uns die Politik: Im US-Bundesstaat Washington ist vom Gouverneur (bzw. von der „Gouverneurin„) ein Gesetz gegen das illegale Auslesen von RFID-Daten aus Ausweispapieren unterzeichnet worden. Wer dagegen verstösst, auf den wartet eine Haftstrafe bis zu 20 Jahren. Die spinnen doch, die Amis! Kein Gesetz der Welt wird RFID-Spionage jemals verhindern. Aber vielleicht kommt mal einer auf die Idee, RFID sicher zu machen oder ein Gesetz zu erlassen, das minimale Sicherheitsstandards vorschreibt. ROTFL … :-)=)

Schlag gegen Vorratsdatenspeicherung

JustiziaDer Eilantrag beim deutschen Bundesverfassungsgericht für eine Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung war teilweise erfolgreich. Die Richter schränkten zwar nicht die Speicherung selbst, aber deren Verwendung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache deutlich ein. Gleichzeitig fordern sie bis zum 1. September 2008 Rechenschaft von der Bundesregierung über die Auswirkungen der Einschränkung.
[Quelle: golem.de]

Ein Zugriff auf die Daten ist den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten und nur dann erlaubt, wenn „die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre“. Eine Verwendung der Daten für die „Terrorabwehr“ oder die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen ist damit ausgeschlossen.

Der Beschluss ist ein erster Teilerfolg gegen die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung, die alle Deutschen unter Generalverdacht stellt. Über die Verfassungsmässigkeit der eigentlichen Datenspeicherung wird erst in der Hauptverhandlung frühestens gegen Ende Jahr entschieden.

Wegen rechtswidrigem Eintrag in Bonitätsdatenbank zu Schadensersatz verurteilt

Immer mehr Anbieter, die ihre Kunden auf Rechnung beliefern, vergewissern sich in Bonitätsdatenbanken über deren Zahlungsmoral. Ihr Bedürfnis, nur zahlungsfähige und -willige Kunden zu bedienen, ist sicherlich berechtigt. Wer schon mal Einblick in die Inkasso-Branche gehabt hat, weiss nur zu gut, wie oft und trickreich Kunden besonders im Versandhandel und bei Abzahlungsverträgen ihre Lieferanten betrügen und alles unternehmen, um der Bezahlung einer Rechnung aus dem Weg zu gehen, indem sie sich immer wieder neue Identitäten zulegen oder sich durch regelmässigen Adresswechsel einer Betreibung entziehen und so einen sauberen Betreibungsauszug sichern. Kein Anbieter möchte am Schluss eines kostspieligen Inkasso-Verfahrens mit einem Verlustschein abgespiesen werden, den er regelmässig erneuern muss, um seine Forderung aufrecht zu erhalten, und trotzdem kaum Aussicht darauf hat, ihn jemals beim Schuldner einlösen zu können.

Das Inkassogeschäft ist ein hartes Geschäft und verlangt eine hohe Frustresistenz. Daher verwundert es nicht, dass die Branche auch prominente schwarze Schafe hat. Continue reading

Geschäftsmodell von Google & Co. ist bedroht

Ein gewaltiger Sturm zieht aufAls Suchmaschine liegt es in der Natur von Google, Daten von Websites zu sammeln und auszuwerten. Mindestens so interessant für die Anbieter von Diensten und Inhalten sind aber auch die Daten der Nutzer. Neben Google speichern auch die Konkurrenten wie Yahoo! oder Microsoft und die Internet-Grössen Amazon, Ebay, Apple und Skype die persönlichen Daten und das Nutzungsverhalten der Besucher ihrer Portale, Kommunikationsdienste und Suchmaschinen, um sie gezielt mit Werbeanzeigen „bedienen“ zu können. „Behavioral Targeting“ nennen es die einen, „Stalking“ nennen es andere.

Die Rechtsprechung in Deutschland übernimmt in jüngster Zeit eine führende Rolle in Sachen Datenschutz innerhalb der EU. Nach den Grundrechten auf „informationelle Selbstbestimmung“ und eine „digitale Privatsphäre“ könnten durch ein Verbot, die IP-Adresse von Benutzern zu speichern, die führenden Web-Grössen schon bald vom Thron gestürzt und die Informatinonsgesellschaft ganz ordentlich aufgemischt werden. Die ersten Gerichtsurteile dazu sind schon ergangen.

Continue reading

Internetsperre bei Urheberrechtsverletzung in UK

Gemäss einem Bericht der Tageszeitung The Times sollen Internetprovider in Britannien verpflichtet werden, gegen Internetnutzer vorzugehen, die unter Verdacht stehen, Urheberrechtsverletzungen zu begehen, d.h. wenn sie verdächtigt werden, illegal Filme oder Musik herunterzuladen. Beim ersten Verstoss sollen sie per E-Mail verwarnt werden. Beim zweiten Mal soll ihr Internetzugang zeitlich befristet und beim dritten Mal ganz gesperrt werden.

Internetprovider, die der Massnahme „three strikes“ nicht nachkommen, sollen nach dem Gesetz belangt werden können. Zudem sollen sie die persönlichen Daten der verdächtigen Kunden den Gerichten offengelegt müssen und die Internetprovider Informationen über ihre verdächtigen Kunden weitergeben. So sieht also das Programm der Briten zur Förderung der Unterhaltungsindustrie beziehungsweise der Kreativwirtschaft aus.

Grossbritanninen folgt dem schlechten Beispiel Frankreichs und setzt noch eins oben drauf. Wieso beschränkt man die Sanktionen eigentlich auf den Internetzugang? Man könnte doch gleich ein lebenslanges Computerverbot aussprechen und die „Tatwaffe“ gleich ganz konfiszieren. Konsequenz ist schliesslich das A und O jeder Erziehung. Darum geht es hier doch?! Urheberrechts-Piraten gehören von der Informationsgesellschaft ausgeschlossen, wenn nicht sogar hinter Schloss und Riegel! Ebenso sollten auch Falschparkierer von den Strassen entfernt werden, weil sie durch ihr Verhalten klar bewiesen haben, dass sie nicht fähig oder zumindest nicht gewillt sind, sich an die Strassenverkehrsgesetze zu halten. Und alle Falschpinkler im Stadtpark gehören beschnitten.

Wenn nun ein Kind dreimal hinter einander vermeintlich urheberrechtlich geschützte Inhalte runterlädt, muss die ganze Familie mit Internetverbot bestraft werden – das ist moderne Sippenhaftung. Internetprovider sollen Polizisten und Richter in Personalunion spielen – das widerspricht der Gewaltentrennung und kommt einer staatlich verordneten Lynchjustiz gleich. Soll Grossbritannien in die informations- und kommunikationstechnische Isolation geführt werden? Aber vielleicht wollen die Briten ja nur eine entwicklungsgeschichtliche Pause einlegen … it’s tea time.